Sie haben jetzt zwei Saisonen in Folge den Abfahrtsweltcup gewonnen. Wie wollen Sie das in einer Saison ohne Großereignis noch überbieten?
Beat Feuz: Mein Ziel ist es, die Konstanz der letzten zwei Jahre wieder mitzunehmen. Ich bin nicht derjenige, der jedes Rennen gewinnt. Aber ich war in den letzten beiden Jahren in der Abfahrt nie schlechter als Neunter. Wenn ich meine Konstanz behalte, ist ein Sieg oder ein Podium immer möglich. Das ist auch mein Ziel.

Hand aufs Herz: Würden Sie ein wenig Konstanz eintauschen gegen einen Sieg auf der Streif von Kitzbühel, wo Sie 2016, 2018 und 2019 als Zweiter knapp scheiterten?
Irgendwie schon (lacht). Aber ich habe es mir schon einmal selbst vermasselt. Da bin ich voll auf Sieg gefahren – und war am Ende froh, gesund zu sein.

Sie sprechen das Jahr 2017 an, als Sie mit klar bester Zwischenzeit über die Hausbergkante ins Netz rasten und unverletzt blieben. Viele haben schon versucht, den Sieg in Kitzbühel zu erzwingen – Sie auch?
Ich habe es versucht, das gebe ich zu. 2017, als ich ins Netz geflogen bin, wusste ich: Es hat alles gepasst. Ich war vom Start weg der Meinung, dass ich das Rennen gewinnen kann. Ich bin voll auf Sieg gefahren. Aber was ist rausgekommen, wenn ich so fahre? Verletzungen, böse Stürze. Da ist mir das andere schon sehr sympathisch.

Bei den Hahnenkamm-Rennen wartet im Jänner 2020 das Rekordpreisgeld von 100.000 Euro auf den Abfahrtssieger und damit fast 25.000 Euro mehr. Ist das gerechtfertigt?
Auf alle Fälle. Das Rennen, das Drumherum, das lebt alles von uns Skifahrern. Da werden Millionen umgesetzt. Sei es bei der Weißwurst-Party im Stanglwirt oder beim Würstlstand im Zentrum – und wenn eine Woche so viel Geld gemacht wird, dann soll der Athlet was davon haben. Deswegen ist es nur richtig, wenn Kitzbühel das höchste Preisgeld hat. Das Geld macht es interessant – für die Zuschauer, nicht für uns Athleten. Ich stehe nicht am Start und denke mir, jetzt kann ich 100.000 Euro verdienen. Aber es wird davon gesprochen. Die 25 Prozent, die es jetzt mehr gibt – das rechnet sich alleine durch die Werbung, die es durch das Gerede über das Rekordpreisgeld gibt.

Nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher könnte der Kampf um den Gesamtweltcup wieder offener werden. 2011/12 scheiterten Sie nur um 25 Punkte an Hirscher. Wird das noch einmal ein Thema für Sie?
Für mich ist der Gesamtweltcup kein Thema mehr. Ich fahre nur 15 Rennen, müsste also alle gewinnen, um eine Chance zu haben. Die Kombination lasse ich aus, die Parallel-Rennen würde ich ja fahren, aber da fehlt mir das Talent (lacht). Aber ich glaube, dass es ein interessanter Winter wird für den Gesamtweltcup. Alexis Pinturault ist für mich Favorit. Wenn ein Techniker konstant fährt, haben Speed-Fahrer keine Chance.

Wir reden vom Gesamtweltcup – dabei standen Sie nach schweren Knieproblemen 2013 schon vor dem Aus. Hätten Sie sich das träumen lassen, dass Sie sechs Jahre später mit zwei Kugeln und einem WM-Titel dasitzen?
Daran hätte ich niemals gedacht. Dass wir hier sitzen und übers Skifahren reden, von mir aus. Aber solche Sachen wie die Kugel und den WM-Titel? Von solchen Sachen zu träumen, wäre damals eine Stufe zu hoch gewesen.

Wie sehr geht Ihnen noch Olympia-Gold ab?
Das ist nicht mehr mein Ziel. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lange ich noch fahre. Vielleicht ist es nach der Saison vorbei. Eine Verletzung zum blöden Zeitpunkt, dann ist es vorbei. Es gibt kein Ziel mehr, das ich unbedingt erreichen will. Wenn sich was ergibt, gerne, vielleicht bin ich bei Olympia 2022 noch dabei. Aber ich stehe nicht mehr am Start und muss das holen. Ich habe WM-Gold. Ich laufe nichts mehr hinterher. Ich kann machen, was ich will.

Der Körper lässt aber noch 15 Rennen zu?
Der Jänner mit den schwierigen Rennen in Wengen, Kitzbühel, Garmisch – da leide ich schon sehr. Da muss ich sehr viel Therapie machen und Regenerationspausen einlegen. Vor Kitzbühel und Garmisch sind die Abfahrtstrainings dann auch nicht mehr so schnell. Das merkt man bei mir immer gut ...

Ihre Freundin Katrin Triendl, mit der Sie in Tirol leben, ist als Physiotherapeutin auch die Person, die Ihr Knieleiden am besten kennt. Wie wichtig ist sie in Ihrer Erfolgsgeschichte?
Enorm wichtig. Schon wenn ich nach Hause komme und ihr sage, dass ich was im Knie oder so spüre. Dann weiß sie sofort, was zu tun ist. Zudem ist unser Schweizer Physiotherapeut aus Rum. Wenn es akut was gibt, kann er schnell vorbeikommen.

Ihre gemeinsame Tochter Clea ist ein Jahr alt. Wenn Sie sagen: „Der Kitzbühelsieg muss nicht mehr sein“, wie viel Anteil an der Sichtweise hat Ihre Tochter?
Skifahren ist nicht mehr das Wichtigste, sondern die Familie. Ich fahre nicht mehr Ski für Olympia oder die WM – ich fahre so lange, wie es mir Spaß macht. Die Prioritäten haben sich verändert: Ich will der Schnellste sein, aber die Risikobereitschaft hat sich verringert. Ich möchte lieber die Zeit mit der Familie verbringen und genießen – und dabei gesund sein.