Vorneweg: Sind Sie designierter oder bereits inthronisierter ÖSV-Sportdirektor?

TONI GIGER: Bis Ende Juli, bis zu seinem Pensionsantritt, ist der Hans (Pum, Anm.) weiterhin Sportdirektor und ich sein designierter Nachfolger, allerdings mit einer etwas anderen Struktur. Das ergibt sich allein dadurch, dass ich auch weiterhin in der Abteilung Rennservice und Sportgerätetechnik tätig sein werde. Das ist ja inzwischen keine kleine Gruppe mehr, im Winter sind spartenübergreifend hundert Personen beschäftigt. Konkret werde ich das Rennservice weiterhin leiten und Niki Hackl, ein langjähriger Mitarbeiter, wird den anderen Teil übernehmen, was letztlich in einem Institut für Sportgerätetechnik münden wird.

Noch-Sportdirektor Hans Pum hat mit seinem vorzeitigen Rücktritt viele im ÖSV überrascht. Auch Sie?

GIGER: Und wie. Ursprünglich war vereinbart, dass ich seine Funktion in einem Jahr übernehmen soll. Am Donnerstag vor zwei Wochen, also am ersten Tag der ÖSV-Präsidiumssitzung, hat mich dann der Hans angerufen und gemeint, "Toni, jetzt kannst gleich anpacken". Das hat mir weniger getaugt, auch weil ich ein Mensch bin, der gewisse Sachen länger überlegt und von allen Seiten betrachtet, bevor er etwas beschließt. Dann musste halt vieles schneller gehen. Und ja, ich hab’ seither wenig geschlafen – auch der Osterausflug mit meiner Frau nach Italien fiel flach. Das hat dann ihr weniger getaugt.

Mit dem langjährigen US-Alpindirektor Patrick Riml und dem nicht minder erfolgreichen norwegischen Herren-Cheftrainer Christian Mitter wurden am Mittwoch prominente Neuverpflichtungen vermeldet ...

GIGER: Patrick war schon länger ein Wunschkandidat. Und er ist für mich der ideale Mann, um die Strukturen im Alpinbereich zu schärfen. Das Alpine hat im Verband insofern eine Sonderstellung, da es über keine eigenen Sportstätten verfügt. Deshalb ist das Training im Hinblick auf Zeiten, Pistenbeschaffenheit und Absicherung eine besondere Herausforderung. Und Patrick verfügt über beste Kontakte in der ganzen Welt. Abgesehen davon, kann er einen immensen Erfahrungsschatz einbringen. Ich denke da an Analysen, Teamstrukturen, Einsatzplanungen etc., ebenso die Organisation und Logistik von Großereignissen. Auch "Safer Sport", wie man in den USA sagt, ist ein Thema.

"Safer Sport"?

GIGER: Da geht’s unter anderem auch um Mitarbeiterführung. Ich habe da ein Negativbeispiel aus meiner Karriere: Wir hatten Mutproben. Wir sind aus acht, neun Metern in den Wolfgangsee gesprungen, als eine Art Aufnahmeritual in die Mannschaft. Eine Idee, die von den Athleten gekommen ist. Heutzutage ist das nicht mehr machbar – auch weil sich die Gesellschaft gewandelt hat. Würde heute einer mit einem ähnlichen Vorschlag kommen, müsste man sich das ganz genau anschauen. Nämlich: Üben wir damit Druck auf den Athleten aus? Will das der eine oder andere gar nicht? Geht das schon in den Bereich von Mobbing? In Amerika werden derlei Thematiken noch konkreter und sensibler aufgegriffen – und ja, wir wollen ein guter Verband sein, wir wollen "safe" sein. Deshalb wird Patrick auch die Weiterbildung und Schulung von Trainern und Betreuern vorantreiben.

Und Christian Mitter?

GIGER: Lustigerweise habe ich ihn in diesem Winter – und das soll jetzt nicht überheblich klingen – verstärkt im Auge behalten. Ganz einfach, weil er mit taugt. Auch in seiner Art und seiner Arbeitsphilosophie. Es gibt da viele Übereinstimmungen, beispielsweise wie man Läufer beobachtet, wie man gewisse technische Feinheiten interpretiert. Da habe ich aber nicht im Ansatz gedacht, dass er schon bald bei uns landen würde. Dann ist eben alles sehr schnell gegangen. Interessanterweise haben wir übers Geld gar nie geredet, das hat dann erst der Peter (Schröcksnadel, Anm.) erledigt

Mitter folgt Damen-Rennsportleiter Jürgen Kriechbaum nach, der in den vergangenen sechs Jahren erfolgreich gearbeitet hat ...

GIGER: Der Wunsch der Verbandsspitze an mich war, neue Strukturen zu erarbeiten. Und eines der Dauerthemen in den diversen Sitzungen war, dass uns der Nachwuchs wegbricht. Und darüber habe ich auch mit Jürgen, mit dem ich sehr gut bin und der auch unter mir gearbeitet hat, viel geredet. Und ich bin überzeugt, dass er der richtige Mann ist, dieses enorm wichtige Feld zu beackern.

Abschließend: Wann haben Sie das letzte Mal mit Marcel Hirscher telefoniert?

GIGER: Das ist tatsächlich eine Weile her. Moment (schaut im Handy nach): Finde ich jetzt nicht. Jedenfalls nicht in den vergangenen zwei Wochen.

Wie ist Ihr Gefühl. Macht er weiter oder ...?

GIGER: Mir geht es da wie den meisten Österreichern, die hoffen, dass er weitermacht. Aber ich würde einen Athleten diesbezüglich nie beeinflussen, das habe ich auch in meiner Zeit als Herren-Cheftrainer nie getan. Auch weil es nichts bringt. Selbst wenn er es lassen sollte, würde ich mich für ihn freuen – einfach, weil es dann für ihn die richtige Entscheidung ist.

Letzte Frage: Wann haben Sie letztmals mit Gregor Schlierenzauer telefoniert?

GIGER: Mit dem Gregor bin ich bei Weitem nicht so eng wie dem Marcel, dennoch haben wir einen guten Kontakt. Ich habe dennoch länger nichts von ihm gehört und kann schwer einschätzen, ob er es noch einmal probiert. Was ich sagen kann und davon bin ich felsenfest überzeugt: Wenn er weitermacht, dann wird er es noch einmal schaffen. Ganz einfach, weil unglaubliches Potenzial vorhanden ist.