Es ist zwar eine 08/15-Frage, bei Skisportlern und speziell bei Ihnen aber die wichtigste: Wie geht es Ihnen? Und Ihrem Knie?
ANNA VEITH: Mir ist schon klar, dass das alle wissen wollen. Es geht gut, das Knie schaut so aus, wie es ausschauen soll, die Bänder sind stabil und belastbar. Damit ist es aber nicht getan, jetzt geht es darum, dass das Knie wieder hohe Belastungen gewöhnt wird.

Welche Belastungen muten Sie sich denn im Moment zu?
VEITH: Das ist von Tag zu Tag verschieden. Klar ist: Das Knie reagiert auf Training, ich merke ganz schnell, wann es mir reicht. Ich bin noch sehr weit von dem entfernt, wo ich vorher war. Ich fahre noch weniger als halb so viel an Umfängen wie vorher, weil der Körper noch nicht mitspielt.

Aber durch Tore fahren Sie jetzt schon?
VEITH: Ja, schon durch Tore. Für einen, der nicht so den Einblick hat, schaut es wohl auch gut aus.

Was fehlt denn?
VEITH: Es kommt darauf an, wie steil es ist, wie hart es ist. Je steiler und härter, desto größer die Belastung fürs Knie – und da gibt es dann einen Punkt, wo ich noch nicht hinkann. Ich muss mich schon noch sehr steigern.

Wir reden aber nur vom Riesentorlauf, oder?
VEITH: Hauptsächlich, ja. Aber ich habe auch schon zwei Tage Super-G und einen Tag Abfahrt trainiert. Obwohl, da habe ich eine Erfahrung gemacht, von der ich nicht gedacht hätte, dass es mir auch einmal so geht.

Nämlich?
VEITH: Ich habe mir einfach gedacht: ,Boah, was machst du eigentlich hier?‘ Früher war es ganz normal für mich, schnell geradeaus zu fahren, direkt auf die Tore zuzufahren. Und dann denkt man sich plötzlich, ob sich das wirklich ausgehen kann. Zum Glück macht man es dann einfach und kommt drauf, dass es gar nicht so schwierig ist. Ich habe das alles ein Jahr nicht mehr gemacht, ich muss das Gefühl für die Geschwindigkeit, den Druck aufbauen. Das sind alles neue Erfahrungen für mich.

Eine schwierige Frage: Finden Sie auch positive Seiten an der Verletzung?
VEITH: Sportlich gesehen ist es ein Riesenrückschlag. Punkt. Aber man sagt nicht aus Spaß, dass man aus Niederlagen mehr lernt als aus Erfolgen. Bei Siegen läuft es einfach, man hinterfragt nicht, sondern genießt. Wenn man aber nicht an der Spitze ist, muss man schauen, wieder dahin zu kommen. Es ist fast so wie in jungen Jahren, wo ich lernen musste, was ich brauche, um erfolgreich zu sein. Da spüre ich gerade viel, viel mehr als in den letzten Jahren. Ich lerne mich besser kennen, lerne gerade sehr viel über mich selbst. Und das ist sicher positiv.

Denken Sie beim Skifahren mehr nach als zuvor?
VEITH: Beim Skifahren nicht, nein. Ich befasse mich mehr damit, was mein Körper braucht, damit ich eine bessere Skifahrerin werden kann. Ich kann nicht alles so machen wie vorher. Dinge verändern sich – wie mein Körper.

Oder Ihr Name . . .
VEITH: Der ist ja aber nicht ausschlaggebend fürs Skifahren. Mein Knie schon.

Trotzdem haben Sie eine Marke aufgegeben, als Sie auf den Namen „Fenninger“ verzichtet haben. Gab es nie Überlegungen, mit Doppelnamen zu fahren?
VEITH: Nein, für mich war schon lange klar, dass ich das so mache. Es geht nicht darum, welchen Namen ich habe. Ich war ja nicht bekannt, weil ich Fenninger hieß, sondern weil ich die Anna war und bin. Jetzt reden wir ja auch, obwohl ich Veith heiße.

Und doch gab es auch Kritik – es hieß: Wie kann eine starke Frau ihren Namen für ihren Mann aufgeben?
VEITH: Das geht an mir vorbei. Jeder kann und soll seine Meinung haben, aber ich ändere meine deswegen nicht.

Vor Ihrer Verletzung waren Sie wegen Ihres Konflikts mit dem Verband in den Schlagzeilen. Haben Sie jemals daran gedacht, dass der Sturz eine Folge dieser Stresssituation war?
VEITH: Nein, das war Pech. Was ich aber glaube: Der Körper nimmt sich die Zeit, die er braucht. Und ja, ich war extrem viel in den Medien, das war belastend. Aber es war nicht der Grund. Eher die Jahre davor.

Inwiefern?
VEITH: Es hat so viel Kraft gekostet, auf so ein Niveau zu kommen. Ich habe alles aus meinem Körper herausgeholt. So, wie ich in Meribel den Weltcup gewonnen habe, mit einem Sieg im letzten Rennen der Saison, das wird es nicht mehr geben. Ich habe in diesen Phasen zu viel aus mir herausgeholt. Und die Verletzung hat mir gezeigt: Du brauchst mehr Zeit für dich – du musst sie dir auch gönnen.

Wie fanden Sie in schweren Zeiten Ihre Motivation? Schaut man da Pokale an? Oder geht es ums Gefühl des Skifahrens?
VEITH: Es ist das Gesundwerden, das wichtig ist. Die Medaillen und Weltcupkugeln sind kein Grund, die habe ich ja schon. Und es geht um das Gefühl, einen schnellen Schwung zu fahren. Das ist etwas Besonderes. Und ich bin zwar schon ziemlich fit, aber ich arbeite noch daran, dieses Gefühl wieder zu bekommen. Siege kommen dann von selbst, wenn man dieses Gefühl erreicht. Die erste Motivation ist also die Perfektion im Sport.

INTERVIEW: MICHAEL SCHUEN