Der im Oktober begonnene Prozess gegen zehn aktuelle und ehemalige Vertreter des Österreichischen Schiverbandes (ÖSV) wegen des Dopingskandals bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin wird am kommenden Dienstag in Italien fortgesetzt. Vor dem Gericht in der piemontesischen Stadt Susa nahe Turin werden acht Zeugen der Staatsanwaltschaft vernommen. Keiner der Angeklagten wird voraussichtlich am Dienstag vor Gericht anwesend sein.
Vier Zeugen der Staatsanwaltschaft und Funktionäre des ÖSV werden nicht vor Gericht erscheinen, weil sie nach den Olympischen Winterspielen in Vancouver auf der Heimreise nach Österreich sein werden. Bei den anderen Zeugen handelt es sich unter anderem um zwei italienische Polizisten, die im Februar 2006 während der Olympischen Winterspiele in Turin in einer großangelegten Aktion die Quartiere der ÖSV-Langläufer und -Biathleten in Pragelato und San Sicario durchsucht hatten.
Befragt wird auch die Funktionärin der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Christiane Laforce, die Ermittlungen gegen den Ex-ÖSV-Coach Walter Mayer geführt hatte. Diese Ermittlungen hatten auch in Österreich ein gerichtliches Nachspiel, in das die WADA-Funktionärin verwickelt war. Die ersten drei Prozessrunden seit Oktober waren mehr oder weniger ergebnislos verlaufen, weil die Verteidigung die Nicht-Übersetzung zahlreicher Unterlagen in die italienische Sprache moniert hatte. Richterin Alessandra Danieli hatte vorerst die Einwände der Verteidigung über die Nichtverwertbarkeit der Dokumente aber zurückgewiesen.
Begünstigung von Doping
1.914 der insgesamt über 3.600 Seiten verschiedener Rechtshilfeverfahren aus dem Deutschen, Französischen und Englischen wurden von der Turiner Staatsanwaltschaft nicht ins Italienische übersetzt, was die Verteidigung als rechtswidrig kritisierte. Es gäbe nämlich auch ganz klare entlastende Beweisdokumente, die bisher noch nicht übersetzt worden seien und deshalb von der Richterin nicht einmal bewertet werden können, da Danieli nicht Deutsch spricht.
Angeklagt sind bei diesem Prozess neben dem Verbands-Chef Peter Schröcksnadel und Markus Gandler auch Ex-ÖSV-Coach Mayer, der ehemalige Langlauf-Cheftrainer Emil Hoch, der Sportmediziner Peter Baumgartl, sowie von Athletenseite die Ex-Biathleten Wolfgang Perner und Wolfgang Rottmann sowie die Langläufer Martin Tauber, Johannes Eder und Jürgen Pinter. Laut Anklageschrift wird Schröcksnadel und Gandler Begünstigung von Doping vorgeworfen. Die Athleten werden des Gebrauchs von Dopingmitteln beschuldigt. Ihnen drohen laut Artikel 9 des italienischen Anti-Doping-Gesetzes bis zu zwei Jahren Haft, die jedoch im Rahmen des allgemeinen Strafnachlasses ohnehin nicht zur Anwendung kommen werden.
Ab der bereits festgelegten Gerichtsverhandlung am 16. März sollen die ersten Zeugen der Verteidigung vorgeladen werden, berichtete der Südtiroler Rechtsanwalt Wolfgang Burchia im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur. Burchia vertritt ÖSV-Präsident Schröcksnadel. 37 Namen stehen auf der Zeugenliste der Verteidigung, darunter ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner, ÖSV-Vizepräsident Toni Leikam und Ex.ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth. Sie sollen voraussichtlich im Laufe der nächsten fünf Gerichtsverhandlungen vernommen werden. Die österreichischen Zeugen sind nicht verpflichtet, vor der italienischen Justiz auszusagen.