5Nach den Reifenschäden bei Max Verstappen und Lance Stroll in Baku, die zu heftigen Abflügen führten, erklärte Pirelli, dass man der Sache natürlich auf den Grund gehen wolle. Dazu nahm man nicht nur die Reifen an den betroffenen Autos unter die Lupe. Bei der Analyse wurden auch die Gummis anderer GP-Renner untersucht, die gleich viele oder gar mehr Runden als die beschädigten Reifen hinter sich gebracht hatten. Die Schlussfolgerung des italienischen Herstellers: Keine Defekte durch irgendwelche Teile auf der Strecke oder Randsteine, wie von den Pirelli-Ingenieuren in Baku zunächst vermutet. Aber die Schäden wurden auch nicht durch einen Produktions- oder Qualitätsmangel verursacht. Auch gab es keine Anzeichen von Materialermüdung, genauso wenig konnten Hinweise auf eine Ablösung der Lauffläche gefunden werden.

Pirelli wies deshalb in einer Pressemitteilung die Schuld an den Unfällen von sich. „Die Ursachen für die beiden Reifenschäden hinten links an den Autos von Aston Martin und Red Bull Racing wurden eindeutig identifiziert“, heißt es da. Sowohl bei Strolls als auch bei Verstappens linkem Hinterreifen ist die innere Seitenwand kaputt gegangen und der Schaden sei trotz der Einhaltung der Start-Vorgaben zum Mindestdruck und zur maximalen Heiztemperatur darauf zurückzuführen, wie die Reifen im Rennen eingesetzt wurden, hieß es weiter. Pirelli deutete damit an, dass sich Red Bull und Aston Martin während des Rennens beim heiklen Thema Luftdruck in einer Grauzone bewegt haben könnten. Beweisen können die Italiener ihre These freilich nicht: Denn auf die Werte der Reifendrucksensoren hat Pirelli während des Rennens keinen Zugriff.

Zumindest Red Bull wollte die Vorwürfe, die in einem internen Schreiben an die Teams wohl noch deutlicher ausfielen, so nicht stehen lassen. In einem Statement, das nur wenige Minuten nach der Pressemitteilung von Pirelli verschickt wurde, stellte das Verstappen-Team klar: „Wir haben während der Untersuchung des Reifenschadens von Max eng mit Pirelli und der FIA zusammengearbeitet. Am Auto wurde kein Fehler gefunden. Wir haben uns zu jeder Zeit an die Reifenparameter von Pirelli gehalten und werden uns auch weiterhin an deren Vorgaben halten. Wir sind dankbar, dass bei den Highspeed-Unfällen keine Fahrer verletzt wurden.“ Pirelli leitete die Analyse jedenfalls an die FIA und die Teams weiter.

Der Weltverband reagierte mit neuen Vorgaben zur Überwachung des Luftdrucks ab dem Frankreich-GP an diesem Wochenende. So soll eine Senkung des Luftdrucks nach der Messung in der Startaufstellung unmöglich gemacht werden. Denn Druckmessungen finden nun auch nach einem Rennen statt. Der Luftdruck im Inneren der Gummis sinkt bekanntlich beim Abkühlen nach einem Run automatisch ab. Sollten sich die festgestellten Werte zu stark von den Ausgangsmessungen unterscheiden, könnten die FIA-Kommissare künftig Strafen aussprechen. Und es dürfen auch nur mehr die von Pirelli zu Verfügung gestellten Messgeräte verwendet werden.

Eine Möglichkeit, Klarheit zu schaffen, wer nun wirklich die Verantwortung trägt, wäre ein einheitlicher FIA-Sensor, auf den ständig, auch während des Rennens Zugriff besteht. Er soll endgültig 2022 kommen.