Das Schach-Kandidatenturnier in Jekaterinburg war die letzte große Sport-Veranstaltung, die noch stattgefunden hat. Acht der weltbesten Schachspieler ermitteln in Russland, wer am Ende des Jahres gegen Magnus Carlsen um den Weltmeistertitel spielen wird.

Oder besser: ermittelten. Denn nun musste der Weltschachverband Fide, das Kandidatenturnier unterbrechen. Es wird zu einem anderen Zeitpunkt fortgesetzt - sieben der 14 Runden sind gespielt. Der Franzose Maxime Vachier-Lagrave und der Russe Ian Nepomnjatschi führen punktegleich.

Grund für die Unterbrechung ist nicht etwa, dass ein Spieler oder Offizieller positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Grund ist, dass Russland mit heutigen Datum den gesamten Flugverkehr einstellt - auf unbestimmte Zeit. Der Schachelite, den Schiedsrichtern und Offiziellen wäre es also möglicherweise nicht möglich, nach Ende des Turniers am 3. April, nach Hause zu reisen.

Proteste vor Beginn

Kritik an der Austragung gab es jedenfalls auch vor dem Beginn des Turniers. Teimour Radjabov, Schachprofi aus Aserbaidschan und qulalifiziert, hat seine Teilnahme zurückgezogen. Aus persönlichen Gründen – erklärte der Weltschachverband Fide in einer Aussendung. Weil ihm der Weltverband nicht erklären konnte, wie reagiert wird, wenn sich ein Spieler, Schiedsrichter oder Offizieller mit dem Coronavirus infizieren sollte. Dabei hat der Weltverband sich gar bemüht: das obligatorische Händeschütteln ist nicht mehr verpflichtend, Zuschauer und Fotografen sind ausgesperrt, den Spielern wurde Desinfektionsmittel bereitgestellt. Alles läuft – tatsächlich ist das Kandidatenturnier eine der letzten Sportveranstaltungen, die noch stattfinden. Andere Bewerbe wurden in Russland abgesagt, der Weltschachverband hat die Schach-Olympiade, die im Sommer hätte stattfinden sollen, in das Jahr 2021 verschoben. Die Begründung: Beim Kandidatenturnier würden sich nur acht Spieler messen, bei der Olympiade wären es doch Hunderte.

Ganz reibungslos läuft das Kandidatenturnier aber doch nicht ab und das beginnt schon weit vor Beginn des Wettkampfes vor zehn Tagen. Der chinesische Mitfavorit Ding Liren bereitete sich nämlich nur wenige Autofahrstunden von Wuhan, jenem Ort an dem der Coronavirus zu wuchern begann, auf das wichtigste Turnier des Jahres vor, war bereits in China in Quarantäne und zog sich auch in Russland 14 Tage zurück. Einem Schachspieler, sollte man meinen, könnte schlimmeres passieren, als dass er in der Vorbereitung auf ein Turnier keinen sozialen Kontakt haben darf. Mit den Sekundanten ist die Schachelite ohnehin meist nur via Skype in Kontakt. Der zweite Chinese im Bewerb, Wang Hao, schaffte es zwar noch rechtzeitig aus China Richtung Japan, war deshalb nicht in Quarantäne, äußerte aber – wie Radjabov – Kritik an der Austragung des Kandidatenturniers.

Wladminir Kramnik, Weltmeister von 2000 bis 2007, hätte auf Chess24.com als Kommentator in Erscheinung treten sollen. Der Russe trag aber kurzfristig von dieser Aufgabe zurück. „Ich bin der festen Überzeugung, dass das Kandidatenturnier angesichts der heutigen katastrophalen humanitären Situation in der Welt hätte verschoben werden müssen“, formulierte er.