Der Traum war ein schöner, doch er platzte zu früh. Vor Beginn der Olympischen Spiele drehte sich im Tennis alles um die Frage, ob Novak Djokovic in dieser Saison das so gut wie Unmögliche tatsächlich möglich machen könne. Nämlich den Gewinn des Golden Slams, also den Triumph bei allen vier Grand-Slam-Turnieren sowie Olympiagold innerhalb einer Saison. Er konnte es nicht. Weil ihm Alexander Zverev im Halbfinale von Tokio überraschend ein Bein stellte und sich später selbst Gold schnappte. Ein schwerer Schock für den „Djoker“, der daraufhin auch noch das Spiel um Bronze vergeigte und im Mixed im Spiel um Platz drei erst gar nicht mehr antrat.

Doch hat sich der 34-Jährige rechtzeitig zum Start der US Open wieder neu aufgestellt und in Flushing Meadows zur Jagd nach anderen historischen Großtaten geblasen. Immerhin kann Djokovic, der heuer bereits in Melbourne, Paris und Wimbledon die Siegertrophäen gen Himmel stemmte, in New York seinen 21. Major-Titel (damit wäre er alleiniger Rekordhalter) sowie den ersten Grand Slam seit Rod Laver (1969) in die Tat umsetzen. Und die Aussichten stehen gut, fehlen „Nole“ nach seinem Halbfinaleinzug im „Big Apple“ doch nur noch zwei Siege zur Tennis-Unsterblichkeit. Einziges Problem: Im heutigen Semifinale wartet wie bereits in Tokio ein gewisser Alexander Zverev.

Vorgezogenes Endspiel

Für viele Experten gilt das erneute Kräftemessen der beiden Tennis-Titanen als vorgezogenes Finale. Auf der einen Seite Djokovic, der dem enormen Druck bis dato recht gut standgehalten hat, obwohl er bei seinen bisherigen fünf Auftritten gleich vier Mal einen Satz abgeben musste. Ungewohnte „Schwächen“ (oder doch ein Nervenflattern?) des Serben, der sich heuer bereits ein paar Mal mit dem Publikum angelegt hat und im Vorjahr im Achtelfinale disqualifiziert worden war, nachdem er nach einem Wutanfall unabsichtlich eine Linienrichterin abgeschossen hatte. So gesehen gut, dass es heuer keine Linienrichter mehr gibt – diese Aufgabe übernimmt bei der US Open Series mittlerweile das „Electronic Line Calling“.

Bleibt die Frage, ob Zverev seine Großtat von Tokio wiederholen kann. Seit die Goldene seine Vitrine ziert, strotzt der Hamburger vor Selbstvertrauen, holte sich im Anschluss den Masters-Titel von Cincinnati und gab in New York bis dato erst einen Satz ab. Es sieht also danach aus, als könnte die Zeit hinsichtlich Grand-Slam-Titel für den 24-Jährigen reif sein. Noch hat der Weltranglistenvierte keinen Major-Sieg auf seinem Erfolgskonto stehen, im Vorjahresfinale scheiterte er gegen Dominic Thiem im Tiebreak des fünften Satzes. Doch das ist Schnee von gestern. Und heute? „Ich fühle mich als der erste Spieler, der Djokovic in diesem Jahr in einem sehr großen Match geschlagen hat. Das gibt dir etwas“, weiß Zverev um seine große Chance.