Bei den einen weckt er Begeisterung, bei den anderen Kopfschütteln. Und Schiedsrichtern graut davor, eine Partie von ihm zu leiten. Denn jene Matches, in denen Nick Kyrgios keinen Eklat (oder zumindest einen Ausraster) geliefert hat, kann man quasi an einer Hand abzählen. Das Enfant terrible des Tennissports polarisiert wie vor ihm wohl nur ein John McEnroe. Und trotzdem: Wenn Kyrgios voraussichtlich Freitag am frühen Vormittag in der dritten Runde der Australian Open gegen Dominic Thiem in den Tennisring steigt, wird das gesamte Publikum im Melbourne Park hinter ihm stehen.

Dem entgegenhalten kann Thiem seine stärkste Vorstellung im noch kurzen Tennisjahr, mit der er in der zweiten Runde den Deutschen Dominik Koepfer mit 6:4, 6:0, 6:2 deklassierte und im Anschluss zufrieden analysierte: „Ich habe mich sehr gut bewegt und wusste, wo ich auf dem Platz stehen muss. Ab dem ersten Break ist alles richtig rundgelaufen. Ich hatte heute einen Tag, an dem ich kaum einen Ball hätte verschlagen können.“ Die Sache mit Kyrgios’ „Publikumsjoker“ ist dem Österreicher natürlich bewusst: „Wenn er will, er einen guten Tag hat, kann er gegen jeden Gegner auf der Welt gewinnen. Er ist immer richtig unangenehm, weil er stark serviert und auch mit dem Publikum im Rücken immer gut spielt.“

Wenn der „Aussie“ jedoch keinen guten Tag hat, kann es für Thiem sehr schnell gehen. Und es braucht beim 25-Jährigen aus Canberra nur eine Kleinigkeit, damit ein anfänglich guter Tag ins Gegenteil kippt. Die Gründe dafür sind für Außenstehende meist unerklärlich, doch legt es beim Weltranglisten-47., der sich nach Abwehr von zwei Matchbällen mit einem 6:7, 6:4, 3:6, 7:6, 6:4-Marathonsieg und einigen Eskapaden (siehe Bilder) über den Franzosen Ugo Humbert das Duell mit Thiem erkämpfte, plötzlich einen Schalter um und Kyrgios sieht rot!

Die Berührungspunkte mit Thiem spielten sich bei Kyrgios abgesehen von seiner Aufgabe im Achtelfinale von Nizza 2015 bis dato nicht auf dem, sondern im Netz ab. So verurteilte der Australier nach dem Corona-Fiasko Novak Djokovic’ Adria-Tour sowie alle Beteiligten (darunter auch der Lichtenwörther) auf das Schärfste. Und nachdem Thiem den von Kyrgios mehrfach verbal attackierten Alex Zverev in Schutz nahm, lieferten sich die beiden gar einen hitzigen Schlagabtausch in den sozialen Medien. Mittlerweile haben sich die Wogen aber wieder geglättet und einem spannenden Match steht nichts im Weg. Zumindest, solange sich Kyrgios im Griff hat ...