Zum zweiten Mal in Folge hat Dominic Thiem bei den ATP Finals in London bereits nach seinem zweiten Gruppenspiel das Halbfinal-Ticket gelöst. Konnte der Österreicher 2019 in den ersten beiden Partien Roger Federer und Novak Djokovic in die Schranken weisen, so bremste er heuer Titelverteidiger Stefanos Tsitsipas und Rafael Nadal mit seiner bis dato besten Saisonleistung aus. Damit hat der Österreicher alle von den großen Drei einmal in der O2-Arena bezwungen. „Das ist schon eine coole Bilanz. Ich bin glücklich, noch gegen sie spielen zu können, weil sie die besten drei Tennisspieler aller Zeiten sind. Da zählt jeder Sieg noch mehr und ist super fürs Selbstvertrauen. Außerdem kann ich bei jedem dieser Matches noch viel dazulernen.“

Heute (15 Uhr, Sky live) kommt es gegen Andrej Rublew zum dritten Auftritt der 27-Jährigen an der Themse. „Es ist gegen ihn jetzt einfacher, weil ich ohne Druck spielen kann. Aber ich will natürlich gewinnen, hab ich mit ihm nach der Niederlage im Wien-Viertelfinale doch noch eine Rechnung offen“, sagt der Niederösterreicher. Doch geht es in diesem Kräftemessen um noch mehr, als nur einen Sieg. Denn sollte Thiem ungeschlagen den Titel holen und Nadal heute gegen Tsitsipas verlieren und damit vorzeitig ausscheiden, würde der Lichtenwörther den Spanier in der Weltrangliste noch abfangen und das verkürzte Tennisjahr sogar als Nummer zwei hinter Novak Djokovic beenden.

Seit Juni 2016 ist Österreichs „Sportler des Jahres“ fixer Bestandteil der zehn besten Tennisspieler der Welt, die Tendenz ist stetig steigend. Und als derzeitige Nummer drei der Welt hat der Niederösterreicher noch nicht seinen Zenit erreicht. Größter Traum Thiems war es stets, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Diesen hat er mit dem heurigen Triumph bei den US Open wahr werden lassen. Nächster logischer Schritt ist nun das Erreichen des Tennisgipfels.

Längst kein Sandplatzspezialist mehr

Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der rot-weiß-rote Ausnahmekönner vom Thron winkt. Bleibt Thiem weiter von gröberen Verletzungen verschont, ist er der logische Nachfolger der großen Drei. Kein anderer Spieler der neuen Generation verfügt über so viel Potenzial – und der 17-fache Turniersieger entwickelt sich stetig weiter.
Längst hat er die Bezeichnung Sandplatzspezialist abgeschüttelt.

Im Gegenteil, Thiem betont immer wieder, dass sein Spiel mehr auf Hartplatz zugeschnitten ist und er sich auf diesem Belag mittlerweile fast wohler fühlt. Schneller erster Aufschlag, guter Kick nach Außen beim zweiten Service, krachende Vorhand. Und auch die geblockte Rückhand beim Return ist auf dem schnellen Untergrund mittlerweile zur Waffe geworden. „Ich konnte meinen Level speziell auf Hartplatz Ende 2019 entscheidend steigern und ihn trotz Corona-Pause halten. Ziel für die nächste Saisonvorbereitung ist der Weg ans Netz und dort den Punkt machen.“

Vom "Djoker" abgeschaut

In der Videokonferenz nach dem Sieg über Nadal verriet Thiem übrigens, dass er sich von Djokovic etwas abgeschaut hätte. Nämlich dessen Einstellung in den Tiebreaks. „Bei ihm hat man immer das Gefühl, dass er keinen Fehler macht, so viele Returns wie möglich reinspielt und den Gegner immer noch einen Extraball schlagen lässt. Das nehme ich mir jetzt auch immer vor.“ Die „Anleihe“ beim „Djoker“ macht sich schon bezahlt: Gegen Top-10-Spieler weist Thiem heuer in Tiebreaks eine 10:1-Siegbilanz auf.