Man ist versucht, sich die Frage zu stellen, ob es für Rafael Nadal nicht schon langsam langweilig wird. Zum 13. Mal wird der Spanier heute auf den Center Court Philippe Chatrier marschieren, um in ein Endspiel der French Open aufzuschlagen. Bei seinen ersten zwölf Auftritten hat er den Platz stets als Sieger verlassen – eine beinahe unwirklich erscheinende Bestmarke, die allerdings auch einen Hauch von Monotonie mitklingen lässt.

Nicht so bei Nadal. Der mittlerweile 34-Jährige freute sich nach dem verwandelten Matchball im Halbfinale gegen Diego Schwartzman wie ein kleiner Königstiger über den ein weiteres Mal vollbrachten Finaleinzug an der Seine. Von Routine also keine Spur beim „Matador aus Manacor“, der heute gleich von mehreren Motivationsschüben angetrieben wird.

Zum einen ist da natürlich der Siegeswille, der den Mallorquiner besonders auszeichnet. Zum anderen steht für Nadal in Roland Garros nicht nur Titel Nummer 13, sondern auch seine 20. Grand-Slam-Trophäe insgesamt auf dem Spiel. Gelingt ihm dieses Meisterstück, würde er mit Rekordmann Roger Federer gleichziehen. Und zu guter Letzt ist da natürlich auch noch Finalgegner Novak Djokovic, der im „Head to head“ mit dem Iberer mit 29:26 die Nase vorne hat. Eine Tatsache, die Nadal schon alleine deshalb nicht schmeckt, weil die beiden Kontrahenten als alles andere als dicke Freunde gelten.

Zum 56. Mal stehen sich die beiden Tennis-Giganten also heute gegenüber, zum 28. Mal in einem Finale – keine anderen Spieler haben sich jemals so oft duelliert. Siebenmal sind die beiden bisher in Roland Garros aufeinandergeprallt. Die ersten sechs Kräftemessen (darunter auch die Endspiele 2012 und 2014) konnte Nadal für sich entscheiden, beim letzten Kreuzen der Tennisschläger (Viertelfinale 2015) hatte jedoch Djokovic das bessere Ende für sich. Es war nur eine von insgesamt zwei Niederlagen, die Nadal in seinem Pariser Wohnzimmer akzeptieren musste. Dem gegenüber stehen 99 Siege – setzt er heute noch einen drauf, würde der Spanier also seinen 13. Titel mit einem „100er“ begehen.

Da will Djokovic aber naturgemäß nicht mitspielen. Wobei, auf der Pariser Asche hat sich der Weltranglistenerste unter den vier Grand Slams stets am schwersten getan. Erst 2016 konnte er am Bois de Boulogne den langersehnten Titel holen, zuvor war der Serbe dreimal im Endspiel gescheitert. An Selbstvertrauen wird es dem 33-Jährigen heute aber nicht mangeln: 2020 konnte der „Djoker“ in bislang 39 Partien 38 Siege feiern, einzige „Niederlage“ war die US-Open-Disqualifikation.

Dieser Ausraster, das Corona-Fiasko bei seiner Adria Tour, sein unangekündigter Vorstoß mit der Gründung einer Spielergewerkschaft sowie esoterisch angehauchte, verbale Querschläger hatten Djokovic zuletzt in ein schiefes Licht gerückt. Mit dem Titel in Paris könnte er sein angeknackstes Image wieder etwas aufpäppeln. Außerdem würde er seinem großen Ziel einen Schritt näherrücken. So macht Djokovic keinen Hehl daraus, als der Größte der großen Drei in die Geschichtsbücher eingehen zu wollen. Derzeit hält „Nole“ bei 17 Grand-Slam-Titeln, somit fehlen ihm noch drei auf Federer. Zudem will Djokovic (289 Wochen) den Schweizer (310) als längstdienende Nummer eins der Welt noch abfangen.

Nur eines ist klar: Nadals Pariser Titelsammlung wird er nicht mehr überflügeln können.