Unglaublich, aber wahr: Dominic Thiem hat es getan und in Indian Wells seinen ersten Titel in einem Turnier der ATP-Masters-1000-Serie geholt. Der Österreicher bezwang in einem hochklassigen Finale den Schweizer Roger Federer in drei Sätzen mit 3:6, 6:3, 7:5 - es war der bisher größte und wichtigste Turniersieg für Österreichs Nummer eins. Und es war auch der erste Sieg eines Österreichers bei diesem Turnier.

Nach exakt 2 Stunden 2 Minuten und 22 Sekunden sank Dominic Thiem in der kalifornischen Wüste auf den Hartplatz, lag am Rücken und konnte es selbst nicht fassen. Er hatte soeben den besten Tennisspieler aller Zeiten bezwungen, in der direkten Bilanz damit auf 3:2-Siege gestellt. Ganz "nebenbei" holte er sich damit auch 1000 Punkte für die Weltrangliste und das Preisgeld von 1,354 Millionen US-Dollar. Aber das war ihm sicher nicht so wichtig wieder prestigeträchtige Erfolg beim heimlichen fünften Grand Slam des Jahres. Und den holte er sich auch wirklich verdient.

"Dominic, du hast es dir verdient!"

"Das ist irgendwie surreal für mich, ich habe jede Sekunde genossen", meinte er überglücklich. Und dann bekannte er: "Ich habe gebraucht, um ins Spiel zu finden - und ich hatte Glück, dass ich zu Beginn des zweiten Satzes Breakbälle abwehren konnte. Aber ab diesem Zeitpunkt war ich im Spiel", erklärte er nach seinem bisher größten Sieg. Und auch von Federer gab es Lob: "Es war eine großartige Woche, auch wenn es für den Sieg nicht gereicht hat. Aber ich muss dir gratulieren, Dominic, du hast es dir verdient!"

Und Dominic Thiem gab bei seiner Siegesrede die Blumen zurück: "Roger, es ist eigentlich nicht an mir, dir zu gratulieren, du hast ja 80 Titel mehr als ich. Und es ist eine große Freude, gegen dich spielen zu dürfen, von dir zu lernen. Ich hoffe, wir werden noch einige große Finali spielen!" Und dann drehte sich Thiem auch zu seinem neuen Trainer Nicolas Massu und sagte lachend: "Wir arbeiten erst seit drei Wochen zusammen und haben schon den ersten 100er-Titel. Das ist ja nicht schlecht!"

Schlechter Beginn

Das Spiel begann so gar nicht nach dem Geschmack des Österreichers. Schnell lag er in seinem ersten Aufschlagspiel mit 0:40 zurück, wehrte dann zwar zunächst drei Breakbälle ab, um den Aufschlag dann aber doch noch abgeben zu müssen. Und von Beginn an war klar: Beide waren schnell auf Betriebstemperatur, schenkten einander keinen Millimeter. Thiem massierte meist die Rückhand des Schweizers - und schaffte schließlich im siebenten Spiel des ersten Satzes tatsächlich das Rebreak.

Doch das brachte den "Maestro" offenbar so richtig in Rage, prompt holte sich der 37-Jährige abermals das Service des 25-Jährigen, der an diesem Tag nicht mehr ganz so beeindruckende Zahlen beim ersten Aufschlag lieferte. Und diesmal ließ sich Federer diesen Vorteil nicht mehr nehmen und holte sich den ersten Satz mit 6:3.

Thiem dreht den Spieß um

Und auch im zweiten Satz zeigte Federer schnell, dass er den 28. Titel bei einem Turnier der ATP-Masters-1000-Serie unbedingt will, setzte Thiem immer so früh wie möglich unter Druck. Und weil beim Niederösterreicher der Aufschlag eben diesmal nicht ganz so gut wie beim Sieg im Halbfinale gegen Milos Raonic funktionierte, bekam der Schweizer seine Chancen. Bei 1:1 war Thiem aber noch zur Stelle, stemmte sich erfolgreich gegen den Aufschlagverlust. 

Und prompt drehte Thiem den Spieß um, als Federer das erste Service im Stich ließ - und er schaffte das Break zum 3:1. Und auf einmal wirkte Federer, ja, irgendwie grantig, nicht mehr so fokussiert und unfehlbar wie in Satz eins. Was den Schweizer zwar nicht viel weniger gefährlich macht, aber zumindest tat sich Thiem mitunter ein wenig leichter - und servierte tatsächlich zum Satzgleichstand aus. Es war der erste Satzverlust für Federer in diesem Jahr in Indian Wells. Einem Turnier, das er bereits 15 Mal gewonnen hat, das erste Mal im Jahr 2004. Und noch dazu gelang es Thiem als erstem Spieler in diesem Jahr, Federer gleich zweimal den Aufschlag in einem Spiel abzunehmen - vor dem Finale hatte Federer überhaupt erst einmal das Service abgegeben.

Der entscheidende Satz

Die Schwächephase von Federer, der im Jahr 2019 erst ein einziges Match verloren hat (bei den Australian Open gegen Stefano Tsitsipas) dauerte aber nicht lange an, im dritten Satz hatte er wieder zu sich und seiner Stärke gefunden. Das Erfreuliche: Dominic Thiem fiel aber trotzdem nicht ab. Bis zum 3:4 aus seiner Sicht, als er sich mit zwei Schlampigkeitsfehlern in die Bredouille brachte - und wenn man Federer einmal die Tür nur einen Spalt öffnet, hat der den Fuß schon drin. Der Schweizer returnierte hochkonzentriert, erspielte sich tatsächlich eine Breakchance, ließ Thiem dann zweimal nicht den Gamegewinn. Aber Thiem zog den Kopf doch noch aus der Schlinge, glich zum 4:4 aus.

Und dann passierte es: Just als Thiem bei Federers Aufschlag die Kontrolle zu übernehmen schien, rutschte er aus - und war von diesem Zeitpunkt an auch noch mit einer Schürfwunde am Ellbogen gezeichnet. Doch das behinderte Thiem nicht - er glich auch zum 5:5 aus, ab de 30:30 mit zwei sehenswerten Punkten. Und prompt wackelte Federer bei eigenem Aufschlag. Oder besser: Thiem holte sich zwei Stoppbälle und legte zweimal in Serie den Ball sehenswert an Federer vorbei - und machte das Break perfekt und servierte anschließend aus.

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