Seine scharfe Zunge hat sich der US-Amerikaner John McEnroe aber bewahrt. Der siebenfache Grand-Slam-Sieger und Gewinner von 77 ATP-Titeln wird heute 60 Jahre jung.

Der frühere Weltranglisten-Erste, dessen legendäre Rivalität mit dem weit weniger emotionsgeladenen Björn Borg sogar schon verfilmt wurde, war nicht nur für seine Genialität, sondern auch für seine Ausraster auf dem Platz bekannt. "You cannot be serious" ("Das kann nicht dein Ernst sein!"), das er mehrmals in Richtung diverser Stuhl-Schiedsrichter gebrüllt hatte, war auch der Titel seines ersten Buches. Wutausbrüche auf den Courts der Tennis-Welt, die heutzutage in dieser Intensität kaum noch vorstellbar sind, waren ein wenig ruhmreiches Markenzeichen des Linkshänders mit höchst eigentümlicher Aufschlagbewegung und "tänzerischer" einhändiger Rückhand.

Geboren wurde der heute für seine Fachkommentare und seinen trockenen Humor geschätzte McEnroe am 16. Februar 1959 in Wiesbaden als Soldatensohn, lebte dort aber nur wenige Monate. Sonst ist McEnroe ein waschechter New Yorker und betreibt auf Randall's Island im Nordosten Manhattans seine eigene Tennis Academy. Dort ist auch seit einigen Jahren Dominic Thiem im Zuge der US Open immer wieder zu Gast.

Bei den Australian Open vor einigen Wochen saßen Hobby-Musiker McEnroe und der nunmehrige deutsche Herren-Tennis-Chef und TV-Kommentator Boris Becker mit einigen anderen alten Davis-Cup-Helden zusammen. McEnroe spielte Gitarre, und alle zusammen stimmten zum Bob-Dylan-Klassiker "Knockin' on Heaven's Door" einen Abgesang auf den reformierten Davis Cup an.

An einer guten Portion Selbstironie mangelt es dem einstigen Weltranglisten-Ersten jedenfalls heutzutage nicht mehr, die Profis geben bei den Gesprächen auf dem Platz auch durchaus freche Antworten zurück. So wie der Franzose Lucas Pouille, den McEnroe nach dessen erstem Halbfinal-Einzug bei einem Grand-Slam-Turnier fragte, ob dies nun der schönste Moment seines Lebens sei. "Ja - und gut, dass Du dabei bist", entgegnete Pouille.

Einschüchtern lassen sich die Stars nicht mehr. Rafael Nadal lehnte es höflich ab, sich auszuziehen und den Fans seinen durchtrainierten Körper zu zeigen. Weit ging McEnroe bei seinen Fragen schon immer gern, so wollte er einst vom Argentinier David Nalbandian wissen, warum er immer so stark schwitze - und brachte Nalbandian vor dem Publikum damit in Verlegenheit.

Eine gewisse Selbstverliebtheit und der unverminderte Drang auf die große Bühne ist wohl bis heute auch dabei. "Er ist immer viel am Mikrofon und wird immer irgendwas sagen", sagte Roger Federer in Melbourne, als McEnroe nach dessen Aus gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas von einer Wachablöse sprach. "Ich liebe John. Ich höre diese Geschichte seit zehn Jahren. So gesehen, nichts Neues", bemerkte der 37-jährige Federer.

Als Spieler trieb es McEnroe aber oft zu weit. Bei den Australian Open wurde er 1990 wegen seiner ständigen Schimpferei disqualifiziert. Die ewigen Diskussionen mit Schieds- und Linienrichtern in Wimbledon über aufstaubende Kreide, Bälle im Feld oder im Aus konnten nervtötend sein.

Die Rolle als Bösewicht, der gern die Grenzen überschritt, füllte er besonders gut in Wimbledon aus, dem Hort der Fairness. 1980 siegte im Finale mit einem unvergessenen Tiebreak am Ende mit dem "kühlen" Björn Borg noch das Gute. Ein Jahr später schaffte McEnroe die Revanche und gewann danach auch noch 1983 und 1984. 72 Titel gewann er im Doppel, 77 im Einzel. 1984 verlor er nur drei von 85 Einzeln, darunter auf Sand knapp das French-Open-Finale gegen Ivan Lendl. An den Australian Open hat er nur fünfmal teilgenommen und dort ebenso nie gewonnen wie in Roland Garros.

Ein bisschen bedauerte der fünffache Vater McEnroe, der nach der Scheidung von Schauspielerin Tatum O'Neal die Rocksängerin Patty Smith heiratete, dass ihm während seiner Karriere ein bisschen die Freude am Tennis und die Ernsthaftigkeit gefehlt hätten.