Der Kroate Ivo Karlovic hat sich am Wochenende mit 39 Jahren und 7 Monaten den Rekord als ältester Gewinner eines Tennis-Challengers geholt. Jürgen Melzer wäre in diesem Ranking Fünfter und könnte sich diese Bestmarke in gut zwei Jahren wohl durchaus holen. Der 37-Jährige hatte aber andere Pläne und macht diese Woche auf der höchsten ATP-Turnierebene in Wien Schluss. Und der Erfolg gibt ihm recht.

Mit seinem 7:6(6), 7:5 gegenMilos Raonic am Montagabend beim Erste Bank Open schnappte sich der Niederösterreicher noch einmal einen richtigen guten Sieg, wirkte danach locker und gelöst. Der Single-Abschluss auf hohem Niveau ist ihm mit dieser Vorstellung schon geglückt. "Ich bin riesig froh, dass ich das mit so einer Leistung machen kann und nicht irgendwo herumhumple, wo sich alle Leute denken, warum hat man dem noch eine Wildcard gegeben", sagte Melzer.

Wenn jeder Punkt der letzte sein könnte

Der ehemalige Weltranglisten-Achte ließ sich von der Situation des Showdowns nicht belasten, sondern machte sie sich zum Vorteil: "Du denkst nicht mehr an Punkte, du spielst einfach. Es redet sich oft leicht, aber im Endeffekt war es für mich wirklich ein Punkt nach dem anderen. Weil es kann jeder der letzte sein." So bewältigte der Familienvater auch das Ende des ersten Satzes erfolgreich, obwohl er heuer in Einzel und Doppel rund 20 (Match-)Tiebreaks verloren hat.

Melzer hatte von Turnierdirektor Herwig Straka eine Dienstag-Ansetzung angeboten erhalten, wollte den "THIEMstag" aber ganz Dominic Thiem lassen. Der Wien-Sieger 2009 und 2010 sah das als Entgegenkommen für die Wildcard, auch wenn die Stadthalle am Montag nicht ganz so gut besucht war. "Ich glaube, dass das ein Geben und ein Nehmen ist. Ich habe aber auch natürlich genossen, dass die Leute, die da waren, vielleicht eine Spur lauter waren als sonst."

Neben der Familie saßen auch viele seiner Freunde und Wegbegleiter am Center Court, um das vermeintlich letzte Einzel-Match des Jürgen Melzer mitzuerleben. Viele von ihnen hätten davor gesagt, er solle diese Situation genießen. "Man kann aber nur genießen, wenn man gewinnt. Ich habe versucht, mich auf die Partie zu konzentrieren und das durchzuziehen, was ich mir vorgenommen habe. Das ist mir eigentlich sehr, sehr gut gelungen."

Er wisse, dass sein Körper nicht mehr so funktioniere, um im Einzel noch weiter nach oben zu kommen. "Deshalb ist es angenehm und okay für mich, dass es nach dieser Woche im Einzel vorbei ist. Ich habe da meinen Frieden gefunden." Seinen Sieg gegen den Weltranglisten-22. wollte Melzer auch nicht überbewerten. "Ich finde, dass man die Kirche im Dorf lassen soll. Ich habe okay gespielt, schlau serviert. Aber ich habe es gut ausgenützt, dass er viele Fehler macht."

Im Achtelfinale am Mittwoch gegen Kevin Anderson vor dann vermutlich mehr Fans werde es schwieriger. "Da wird es ein bisschen anders aussehen. Es wird ein schwieriges Match werden, aber ich freue mich darauf." 1:2 liegt er im Head-to-Head mit dem als Nummer zwei gesetzten Südafrikaner zurück, eine der Niederlagen datiert vom Wien-Viertelfinale 2011. Allerdings hat der Weltranglisten-Achte in seiner Erstrunden-Partie erst nach Matchball-Abwehr gewonnen.

Die Wahrscheinlichkeit steigt nun aber natürlich, dass Melzer am Mittwochabend zum letzten Mal bei einem Einzelmatch auf der Tour zum Shakehands schreiten wird. Andererseits ist ihm dieses Turnier auch abseits der zwei Titelgewinne meist gut gelegen. Bei 16 Antreten unterlag er nur 2004 in Runde eins. Ein 17. Mal würde es nur geben, wenn Melzer am Sonntag seinen dritten Wien-Titel holt. "Dann verspreche ich, dass ich weiterspiele", meinte er schmunzelnd.

"Irgendwann geht der Vorhang zu"

Dieses unwahrscheinliche Szenario würde ihn von Weltranglistenplatz 426 nämlich mit einem Schlag zurück in die Top 100 hieven. Schon allein der Erfolg gegen Raonic brachte ihm im virtuellen Ranking eine Verbesserung um knapp 100 Plätze. Melzer weiß aber, dass es jetzt nur noch eine Frage von Tagen ist. "Irgendwann geht der Vorhang zu. Das kann man halt nicht verhindern." Freilich will er im Doppel weiter aktiv bleiben und erfolgreich sein.

"Ich sehe das in zwei Kapiteln. Das eine ist dann fertig geschrieben, das zweite schreiben wir weiter." Ein Zusammenspiel 2019 mit dem Vorarlberger Philipp Oswald sei vereinbart, auch da dessen aktueller Partner Max Mirnyi (BLR) seine Karriere beendet. Melzer: "Wenn man zwei Grand Slams gewonnen hat, dann will man wieder in diese Region hin. Ich glaube, wenn ich mich spezialisiere, dass ich viel besser werden kann. Da ist, glaube ich, schon etwas drinnen."