Vor einem Jahr waren die Weichen schon gestellt – und schon damals war Jakob Schubert eine Bank. Eine Medaillenbank bei den Olympischen Spielen, denn der Innsbrucker galt da im Klettern als großer Favorit. Ob sich das geändert hat? „Schwierig zu sagen. Ich bin sehr fit, ich habe sehr gut trainiert“, sagte der 30-Jährige zu Saisonbeginn, ergänzte da aber bereits: „Im Bouldern ist es unmöglich vorherzusagen, ob man alles zeigen kann. Im Vorstieg tue ich mich da schon leichter.“

Soll heißen: Im „Lead“, dem Klettern bis zum Top, da ist Schubert immer schon Weltspitze. In der Kombination – dem einzigen olympischen Bewerb – hat sich das eher ergeben. Denn weil es als neue Disziplin galt, haben fast alle aus der Weltspitze noch Nachholbedarf. „Für mich war das Jahr nicht wirklich ein Vorteil. Ich denke, dass es ein paar mehr Medaillenanwärter geben wird als letztes Jahr.“

Der Grund? Die dritte Disziplin, das Speedklettern, das tatsächlich ein "Lauf" senkrecht über die Wand ist. „Da wusste ich nicht viel übers Training – aber mir fällt es schwerer, eine neue Disziplin komplett neu zu lernen, als den Jungen.“ Den Vorstieg hat er im Blut, beim Bouldern steigt die Form. Nach nicht zufriedenstellenden Ergebnissen zum Saisonstart lief es zuletzt besser. „Das große Ziel ist Olympia, alles andere ist diesem untergeordnet. Wenn ich es mir aussuchen könnte: Ich würde davor überall Letzter werden, wenn ich dann bei Olympia Gold hole.“

Das Thema Medaille ist also auch bei Schubert omnipräsent. „Es schreckt mich nicht. Ich habe Erfahrung genug und bin schon viele Bewerbe geklettert, wo von mir erwartet wurde, dass ich gut abschneide.“ So wie eben bei der Heim-WM 2018, als er in Innsbruck Gold holte. „Es ist ja nicht immer die Öffentlichkeit, die Freunde oder die Medien, die etwas von einem erwarten. Meist ist man es selbst – ich setze mir gern große Ziele. Das hat in der Vergangenheit ganz gut funktioniert.“

Beim Heim-Weltcup, sagte er, wolle er schon die gute Form beweisen. „Und doch ist es speziell. Ich kenne hier alles in- und auswendig, alle Wege, alle Wände sind mit vertraut“, erklärt er. Der Vorteil: voller Fokus auf den Wettkampf. Und eben der erste Test in der Spezialdisziplin, dem Lead. Schon heute geht es in der Qualifikation los.

Die Coronazeit bereitete Schubert wenig Probleme. „Ich hatte nicht viele Einschränkungen. Es war sogar einfacher, sich aufs Training zu fokussieren.“ Und auch die Sorge ums Gewicht plagt ihn nicht. „Ich kann essen, was ich will. Ich muss sogar schauen, dass ich zunehme. Würde ich nicht so viel trainieren, wäre ich der Oberspargel.“ Und das, sagt er, sei auch nicht gut: „Der Stil bei den Männern ist kraftvoll. Du kannst zwar ein paar Kilo leichter sein, aber ohne Muskelmasse fühlst du dich dann auch nicht wohl.“

Wohl fühlt er sich auch nicht, wenn er auf den „Showaspekt“ des Kletterns angesprochen wird. Etwa die Tatsache, mit einem Finger Klimmzüge machen zu können. „Das mag die Masse beeindrucken, mich nicht. Aber wenn man Instagram-Follower will oder ein wenig den Prolo raushängen lässt, dann macht man das“, sagt er. Und ergänzt lächelnd: „Aber können tue ich es auch.“ Nur brauchen tut er es eben nicht: „Es geht im Klettern auch um Geschmeidigkeit, um Dynamik, nicht nur um Kraft. Da hilft mir das nicht, Klimmzüge mit einem Finger zu machen. Man fragt ja Roger Federer auch nicht, ob er mit einem Hammer fester auf den Nagel schlagen kann als Normalsterbliche.“