Mehr als 1000 Journalisten aus jedem Eck der Erde werden über Katar berichten", sagt Fatma al-Obaidli, die das Medien- und TV-Komitee leitet, und schwärmt in höchsten Tönen über die Handball-WM. Es dürfte ein vorgefertigtes und entsprechend autorisiertes Interview gewesen sein. Es war in den gestrigen Ausgaben mehrere Zeitungen wie "The Peninsula" oder der "Gulf Times" beinahe wortgleich abgedruckt.
In den Straßen von Doha hält sich die Begeisterung vor der heutigen Eröffnungszeremonie offenbar noch in Grenzen. "Hier interessiert sich doch kein Mensch für Handball", sagt der Bursche, der das Taxi vom Flughafen in die Stadt lenkt, auch wenn er, wie alle Taxifahrer in der arabischen Welt, nicht von hier ist. "Ich sehe das hier zum ersten Mal", sagt der Mann staunend, der mit dem Shuttle-Bus vor der "Lusail Hall" im Kreis herumirrt. Der futuristische Palast mit 15.300 Sitzplätzen wurde eigens für die Handball-WM um über 100 Millionen Euro direkt neben dem "Losail International Circuit", wo seit 2004 die Motorrad-WM fährt, von 6500 Billigarbeitskräften aus allen Teilen Asiens aus dem kargen Niemandsland gestampft.
Viel Geld
Im Sport sei eine neue Ära angebrochen, schrieb die "Neue Zürcher Zeitung" Mitte Dezember. "Die katarische Ära. Oder besser: das katarische Jahrzehnt." Das war am Ende der Schwimmweltmeisterschaft in Doha. Die aber erst der Anfang war. Ab heute Handball, dann Rad, Turnen und Leichtathletik, alles Weltmeisterschaften von Rang und Namen. Selbst die von Anfang an umstrittene Fußball-WM 2022 soll noch nicht das Ende sein. Schließlich bewirbt sich Katar auch um Olympische Sommerspiele für 2024. Mit dem nötigen "Kleingeld" nachzuhelfen, daran wird es nicht scheitern.
Ist es ja auch bei der Handball-WM nicht. Die war seinerzeit ruckzuck an Doha vergeben, als der arabische TV-Sender Al Jazeera 110 Millionen US-Dollar für die Übertragungsrechte geboten hat. Fast das Doppelte als noch vier Jahre zuvor bei der WM in Schweden. Al Jazeera wurde von Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani, bis Juni 2013 Emir von Katar und Vater des derzeitigen Herrschers, gegründet und hat seinen Sitz in Doha.
Wenig Skrupel
Die Korruptionsaffäre des Fußball-Weltverbandes FIFA rund um die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar ist noch lange nicht ausgestanden. Und dass wenige Minuten vor der Vergabe der Leichtathletik-WM 2019 Katar jedem Mitglied des Weltverbandes IAAF ein Briefchen mit Zusicherung eines zusätzlichen Sponsorpaketes von 30 Millionen Euro zugesteckt hat, muss man nicht nachträglich untersuchen, Katar streitet es gar nicht ab.
Erdöl hat Katar mit seinen heute knapp 2,17 Millionen Einwohnern zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt gemacht. Mit dem "North Gas Field" besitzt Katar tief unter dem Meeresgrund die größten Gasreserven der Erde. Und dass es in Katar nach wie vor die Todesstrafe gibt, dass "Amnesty International" Missachtungen der Menschenrechte im Allgemeinen und insbesondere jener der Arbeitsmigranten, die hier unter unwürdigsten Bedingungen zu Tausenden an den Sportanlagen bauen und zu Dutzenden ums Leben kommen, anprangert . . . dann soll das doch so sein. Schließlich fährt auch eine Formel 1 in Bahrain, China und Russland und Olympia wurde an die Chinesen genauso wie an Wladimir Putin vergeben.
Große Zweifel
Jedenfalls geht auch Österreichs Handball-Nationalteam morgen, Freitag, gegen Kroatien (17 Uhr) nicht ganz unkritisch in seine dritte Weltmeisterschaft. "Man muss kein Fachmann sein, um zu erkennen, dass Nachhaltigkeit hier eher nicht gegeben ist. Ob diese Dimensionen wirklich nötig sind, bezweifle ich", sagte etwa Team-Kapitän Viktor Szilagyi kürzlich in einem "Kurier"-Interview. Auch dass Katar für seine Heim-WM mit viel Geld Spieler gelockt und mehr als das halbe Nationalteam eingebürgert hat, sieht Szilagyi skeptisch. "Geld ist das Einzige, womit sie locken können. Sportliche Argumente haben sie ja keine."
Und es wird sich am "System Katar" in absehbarer Zeit eher wenig ändern. Wie sagte einst Noora al-Mannai, Chefin jener beiden Kandidaturen, mit denen Katar für die Olympischen Sommerspiele 2016 und 2020 noch durchgefallen ist, so schön? "Für Doha wird es immer nur eine Frage des Wann bleiben – niemals eine Frage des Ob."