Ihre sechste Tour de France steht bevor. Nach der corona-bedingten Ausnahme im Vorjahr: Welchen Termin bevorzugen Sie - Herbst oder Sommer?
Marco Haller: Ich bevorzuge ehrlich gesagt den Sommer-Termin. Schon allein aus Routine. Da schaut alles auf die Tour. Und zwischen Fußball-EM und Olympischer Spiele ist das heuer wieder ein Sportsommer der Superlative.

Lange blieb es offen, ob Sie heuer überhaupt dabei sind. Trotz starker Leistungen bei den Frühlingsklassikern. Warum?
Das ist nichts Außergewöhnliches. Mit der Nominierung lassen sehr viele Teams auf sich warten. So auch ich bei Bahrain-Victorious. Das hat mehrere Gründe, vor allem aber die taktische Ausrichtung der Mannschaft. Entweder sprintlastig, oder berglastig. Bei uns hat man sich für eine Allrounder-Truppe entschieden, und somit habe ich noch das Tour-Ticket erhalten.

Gratulation zum Vize-Staatsmeistertitel. Warum haben Sie das Rennen vor einer so zehrenden Rundfahrt wie der Tour überhaupt noch absolviert?
Für mich war es ein wichtiges Ausrufezeichen. Um zu zeigen, dass ich ganz vorne mitfahren kann, wenn ich auf eigene Kappe fahren darf. Mit der Silbermedaille bin ich sehr happy. Sie gibt mir Selbstvertrauen. Ich hatte heuer noch nicht so viele Renntage. Und eine gewisse Abhärtung kann vor der Tour nicht schaden. Ich war sehr gerne dabei, es gibt ja nicht viele Rennen für mich auf heimischen Boden.

Welche Eindrücke haben Sie vom Starterfeld gewonnen?
Es ist sehr breitgefächert, von Top-Sprintern bis hin zu Top-Klassementfahrern. Mehrere Teams wollen Sprinter und Bergfahrer dabei haben, weil die Strecke sehr ausgeglichen ist. Ganz im Gegenteil zum Vorjahr, wo die Bergfahrer im Vorteil waren.

Pogacar und Roglic dürften wieder die Favoriten sein, oder?
Davon bin ich überzeugt. Allerdings hat sich das Team Ineos heuer sehr stark gezeigt.

Was rechnet sich Bahrain-Victorious aus? Und Sie sich?
Wir sind ebenfalls sehr breit aufgestellt. Sonny Colbrelli hat sicher die eine oder andere Etappe im Auge. Das grüne Trikot spielt für uns eine wichtige Rolle. Und da werde ich einhaken und ihn bestmöglich unterstützen. Mit Jack Haig verfügen wir über einen jungen Klassement-Fahrer, der überraschen kann.

Marco Haller wird bei der 108. Tour de France für die Kleine Zeitung in seinem Tour-Tagebuch berichten
Marco Haller wird bei der 108. Tour de France für die Kleine Zeitung in seinem Tour-Tagebuch berichten © Imago, KK

Auf der 11. Etappe muss der berüchtigte Mont Ventoux zwei Mal bezwungen werden. Was löst das bei Ihnen aus?
Das ist natürlich etwas Besonders. Ich konnte ihn bisher lediglich zu zwei Dritteln befahren. Das war 2016, als Chris Froome laufen musste. Mont Ventoux verfügt über einen großen Mythos wie Alpe d'Huez oder Col du Tourmalet. Die Vorfreude überwiegt.

Sie sind das sechste Mal dabei. Inwiefern hat sich die Tour seit ihrem ersten Antreten verändert?
Natürlich kommt irgendwann Routine rein. Aber ich bin noch immer nervös und habe Angst, etwas zu Hause zu vergessen. Das ist ein bisschen meine Schwäche. Egal, ob sechs Mal oder 60 Mal: die Tour de France ist und bleibt etwas Besonderes.