Einige Personen kamen am Montag aus Paris kommend in Laibach an – einer war nicht darunter: Tadej Pogacar wird noch länger nicht zurückkehren in seine Heimat. Er feierte seinen Geburtstag am Montag mit Freundin Urska wohl in seiner Zweitheimat Monte Carlo. „Eigentlich war es erstaunlich ruhig am Flughafen, wenn man bedenkt, dass Slowenien einen Doppelsieg gefeiert hat“, meinte auch Bernhard Eisel. Der Steirer mit WOhnsitz Klagenfurt  war drei Wochen bei der Tour hautnah dabei, erstmals als Experte. Sein Urteil: „Ja, das Ergebnis war überraschend, vor allem das Zeitfahren. Andererseits ging es auf den Berg – und da ist Pogacar eine Klasse besser, aber nicht außerirdisch. Derzeit.“

Auch in Slowenien kam der Sieg überraschend. Obwohl: „Seit er im Vorjahr bei der Vuelta Dritter wurde, wusste jeder, dass Tadej ein Wunderkind, ein Jahrhunderttalent ist. Trotzdem dachte niemand an einen Gesamtsieg, alle hätten auf Primoz Roglic getippt“, sagt Jurij Zavrsnik, Chefredakteur der slowenischen Sportzeitung „Ekipa“. Aber er erzählt auch, dass der entscheidende Sieg im Einzelzeitfahren minutiös geplant war: „Tadej hat einen Monat vor der Tour de France mit seinem Team mindestens fünf Mal dieses sehr steile Teilstück am Schluss trainiert, kannte jedes Detail.“
Die Stärke der slowenischen Rad-Asse ist für ihn keine Überraschung. „Bei uns ist Radfahren sehr populär, viele Landsleute sitzen fast täglich auf dem Rad.“ Dazu kommt: „Wir haben im Land alle Möglichkeiten, in den Vereinen wird sehr gute Arbeit geleistet, nur bestens ausgebildete Trainer kümmern sich um den Nachwuchs.“

Tadej Pogacar
Tadej Pogacar © AP

Eine Frage der Mischung

Und Zavrsnik hat auch eine Erklärung, warum das kleine Slowenien so viele gute Sportler hervorbringt. „Was Mentalität betrifft, sind unsere Sportler eine Mischung aus Mitteleuropa und Balkan. Was Ordnung und Disziplin betrifft, schlägt Mitteleuropa durch. Der Balkan wiederum schlägt beim Willen und der Motivation, alles erreichen zu wollen, durch.“ Und: Die neuerlichen Erfolge bedeuten den nächsten Schub, denkt er.

Ein gelber Kreisverkehr

Die kleine slowenische Gemeinde Komenda in Oberkrain, rund 25 km nördlich von Ljubljana, und ihre rund 6000 Einwohner feiern den Sieg ihres Rennradprofis Tadej Pogacar. „Er hat uns alle überrascht, nicht nur unsere Gemeinde, sondern ganz Slowenien“, sagt Bürgermeister Stanislav Poglajen. Pogacar habe bewiesen, dass er ein Spitzensportler, aber auch eine große Persönlichkeit sei. Als sein Sieg feststand, heulten in der ganzen Gemeinde die Sirenen los, es wurde getrommelt und geklatscht – der ganze Ort war auf den Beinen – einige hatten Freudentränen in den Augen. Zahlreiche Bürger entschlossen sich spontan, den Kreisverkehr vor dem Gemeindeamt gelb anzumalen.

Seit Sonntag hat der Verkehr im Ort stark zugenommen. „Touristen stellen sich auf das Rondo und machen Fotos“, erzählt Poglajen. Auch noch am Montag kamen viele Schaulustige und Fans des Tour-Siegers nach Komenda, um die Wurzeln des Sportlers selbst zu sehen. „Wir freuen uns aber auch über den zweiten Platz für Slowenien durch Primoz Roglic“, sagt Poglajen.

Am Sonntag aber war Party angesagt, alle tanzten auf den Straßen. „Alle freuen sich über den großen Erfolg“, sagt der Bürgermeister, der mit Pogacars Eltern befreundet ist und sich regelmäßig mit ihnen trifft. Die Familie, die vier Kinder hat, sei allseits beliebt. Die Eltern des Siegers waren beim Triumph ihres Sohnes in Paris dabei – die Mutter ist Professorin für Französisch in einem Gymnasium, der Vater Verkaufsleiter. „Und Tadejs älterer Bruder hat das Radtraining nach einer Unterbrechung von fünf Jahren auch wieder aufgenommen“, erzählt der Bürgermeister erfreut.

Den großen Empfang für den neuen größten Sohn des Ortes soll es erst im November geben, davor kommt Pogacar gar nicht zurück nach Slowenien, er lebt im Monaco. „Die Coronavorschriften könnten uns einen Strich durch die Rechnung machen“, sagt der Bürgermeister, „eventuell wird es eine spontane Aktion sein.“ Bis dahin tüftelt man noch an einem passenden Geschenk – Zeit bleibt ja noch.