Er war Junioren-Weltmeister 2007 und flog in Planica auf 187 Meter. Ein schwerer Sturz beendete seine Springerkarriere. Nicht, weil er keine Lust mehr dazu hätte, aber er blieb in seiner Entwicklung und Leistungssteigerung irgendwie stecken. Primoz Roglic fährt seither lieber die Berge mit dem Rad hinauf, als sie mit Ski hinunterzufliegen.

Er begann seine Radkarriere ganz behutsam, beim kleinen slowenischen Team Novo Mesto Adria Mobil. Als sein geheimer Entdecker gilt Radoje Milic vom sportphysiologischen Institut in Laibach. Jener Milic kam bei einer Untersuchung auf Kennzahlen, die durchaus mit denen von Chris Froome vergleichbar sind. Mit 65 Kilogramm Lebendgewicht hat er Idealmaße für die Berge, dazu ist er ein ausgezeichneter Zeitfahrer. Schließlich kann das Ausnahmetalent aus Zagorje einen Sauerstoffaufnahmewert des Blutes von über 80 Milliliter in der Minute pro Kilogramm Gewicht aufweisen. Wie auch ein Chris Froome.

Und eines hält ihm die Fachwelt zugute. Der Umstand, dass Roglic erst spät zum Radsport gekommen ist, nicht zu früh verheizt wurde, wird ihm sogar als großes Plus angerechnet. Gegenüber anderen Skispringern soll Roglic auch mehr Ausdauer im Training gezeigt haben, so war der Radsport am Ende eine glückliche Fügung. „Er hat bestimmt zuerst den falschen Sport gemacht“, ist auch Peter Wrolich, Kärntens Radsport-Präsident und absoluter Kenner der slowenischen Szene, überzeugt. „Er war auch kein geborener Radrennfahrer. Bei einem seiner ersten Bewerbe hat er gleich das halbe Feld in einem Kreisverkehr abgeräumt, weil er nicht einmal richtig gut Radfahren konnte. Aber zu allem kommt, dass der gesamte Sport in Slowenien einen ganz anderen Stellenwert genießt, er in der Gesellschaft fest verankert ist. So wird auch der Radsport extrem gefördert. Allein das Team Adria Mobil, wo Roglic angefangen hat, verfügt über eine Radrennbahn, wo Rennräder auch verliehen werden. Und die ist fast rund um die Uhr ausgebucht“, so Wrolich. „Der Nachwuchsfundus ist dort mindestens drei- oder viermal größer als in Österreich.“

So werden Ausnahmeerscheinungen wie ein Roglic, wie ein Tadej Pogacar an die Spitze herangeführt. Natürlich schwebt immer ein Verdacht über dem Radsport, auch über dem slowenischen. Dass gleich mehrere Rad-Asse aus einem Land mit zwei Millionen Einwohner kommen, die grundsätzlich lieber Fußball oder Basketball spielen, verwundert doch ein wenig. Vor allem im schiefen Licht, das Radsport nicht und nicht ablegen kann.

Tourdirektor ist positiv

Gerade im Team von Adria Mobil war 2013 ein gewisser Milan Erzen Chefcoach, gegen den die UCI wegen mutmaßlichen Verbindungen zu den Medizinern der „Operation Aderlass“ Untersuchungen eingeleitet hat. Nur konnte nie etwas bewiesen werden und alles verlief im Sand. Es mag vielleicht erstaunlich sein, wie schnell der Aufstieg verlief. Denn Roglic kassiert erst sei 2015 Geld für Radfahren, 2018 wurde er Vierter bei der Tour, Dritter beim Giro 2019 und im gleichen Jahr Gesamtsieger bei der Vuelta. Nur fünf Jahre nach seinem Einstieg in den Berufsradsport gilt er als Favorit auf den Toursieg. „Ich lege für niemanden die Hand ins Feuer“, gibt auch Wrolich zu, „aber ich glaube, dass Roglic wirklich Fähigkeiten hat, um die Tour sauber zu gewinnen. Und er hat mit Jumbo-Visma die derzeit beste Mannschaft an seiner Seite, die ein Gelbes Trikot verteidigen kann.“

Noch haben die Slowenen die Tour nicht gewonnen, noch lauert ein Egan Bernal im Windschatten. Der genau weiß, wann und wo er angreifen kann. „Meine Chance kommt noch, und die werde ich zu nutzen wissen“, sagte er bei einem virtuellen Pressegespräch am Ruhetag.