Der deutsche Roubaix-Sieger John Degenkolb etwa will diese Tage "nur überleben. Ich fühle mich gut und hoffe, dass die Berge nicht alles zunichtemachen", wünschte sich der Trek-Teamkollege von Michael Gogl.

Das Zeitlimit verfolgt die Sprinter in den Bergen wie ein böses Gespenst. Die schnellen Fahrer im Flachland, die oft mehr Gewicht als die Berg-Spezialisten oder Klassementfahrer mit sich herumschleppen, dürfen einen gewissen Zeitabstand zum Tagessieger nicht überschreiten. Sonst sind sie aus dem Rennen. Je nach Schwierigkeit und Tempo der Etappe variiert der Prozentsatz, den sich die Zurückgefallenen leisten können. Maximal beträgt der tolerierte Abstand 25 Prozent auf die Siegerzeit.

Auch Sprint-Ass Marcel Kittel ist nicht ganz wohl in seiner Haut. "Für uns Sprinter wird es ganz, ganz schwierig auf den kurzen Etappen. Dort müssen wir Vollgas fahren, und sobald man aus einer größeren Gruppe raus ist und alleine fahren muss, wird es ganz schwer", erklärte der Deutsche. Die österreichischen Bora-Profis Gregor Mühlberger und Lukas Pöstlberger sind vor allem als Helfer des starken Polen Rafal Majka (vor der Dienstag-Etappe Gesamtsechster) gefordert, das Augenmerk des Teams gilt aber natürlich auch Weltmeister Peter Sagan, der als überlegen Führender der Punktewertung auch sicher über die Berge gebracht werden muss.

Nach dem Alpen-Auftakt in Le Grand-Bornand am Dienstag geht es extrem weiter. Am Mittwoch steht die Bergankunft in La Rosiere auf dem Programm, am Donnerstag geht es hoch zum mythischen Aufstieg nach L'Alpe d'Huez, wo schon Tage zuvor in der berüchtigten "Holländer-Kehre" am Bergfriedhof die Fans campieren und sich für die feucht-fröhliche Party rüsten. Danach geht es auf dem Weg in die Pyrenäen durchs Zentral-Massiv über den Anstieg nach Mende, auf dem Chris Froome 2015 bei einer Zuschauer-Attacke mit Urin überschüttet worden war.

Den besonderen Kick - nach Auffassung der Veranstalter - soll die nur 65 Kilometer lange Pyrenäen-Etappe auf den 2015 Meter hohen Col du Portet bringen. Die Fahrer sollen in Motorrad-Manier aufgereiht starten, auf sie warten auf der Mini-Distanz drei Anstiege. "Dort wurde das Zeitlimit vergrößert. Das ist für die ASO eine Etappe, auf der sie Dinge ausprobieren will - davon kann man halten, was man will", bemerkte Kittel. Sein Rezept, um im Limit zu bleiben: "Ich versuche immer eine Gruppe zu finden. Wenn das zusammenpasst, ist das die halbe Miete".

Immer noch dabei, auch in den Alpen: Lawson Craddock, der seit seinem schweren Sturz zum Tour-Auftakt mit einer gebrochenen Schulter durchhält. Der US-Profi kurbelt mit seiner besonderen Leidens-Tour die Spenden-Einnahmen für das vom Hurrikan Harvey zerstörte Velodrom von Houston/Texas an.