Es waren vier Trainingswürfe der ganz besonderen Art: Lukas Weißhaidinger ließ sich mit einem Kran (samt Arbeitsbühne) auf einen 22-m-hohen Stuhl hieven. Normalerweise zielt der WM-Dritte Tag ein Tag aus – vom Wurffeld im BSFZ Südstadt aus - auf den XXXLarge-Stuhl in roter Farbe. Immer wieder, manchmal bis zu 70 Mal pro Tag. Heute passierte es andersherum. Da war Lukas vom Stuhl – aus 22 Meter Höhe - auf seine Wirkungsstätte. Die Weite (rund 55 Meter) spielte in diesem Fall nur eine untergeordnete Rolle. „Es geht um spektakuläre Bilder und ums besondere Erlebnis. Ich muss zugeben: So nervös war ich im Training noch nie!“

Das Sport-Jahr 2020 steht Kopf. Der Corona-Virus zwang zum 8-wöchigen Heimtraining, alle internationalen Wettkämpfe wurden bis auf Weiteres abgesagt. Ob der Re-Start im August planmäßig stattfinden kann, steht nach wie vor in den Sternen. Diskus-Ass Weißhaidinger nutzt die Olympia-Verschiebung (ins Jahr 2021) kurzerhand zum Experimentieren. Zunächst ging der 28-Jährige dreimal in Schwechat-Rannersdorf auf Weitenjagd, scheiterte zwar an der 70-m-Traummarke, auch an einem neuen österreichischen Rekord. Mit drei Würfen über 68 Meter katapultierte er sich aber auf Rang drei im IAAF-Ranking. Nur Weltmeister Daniel Stahl (SWE/70,25 m) warf nach dem Corona-Shutdown noch weiter als der ÖLV-Rekordhalter: Von den Top-10-Würfen im heurigen Jahr gehen nicht weniger als vier auf das Konto des Oberösterreichers. 

Start in St. Pölten

Der nächste Wettkampf ist für 27. Juni geplant, da wird Weißhaidinger beim Austrian Top-Meeting in St. Pölten antreten. Heute, Dienstag, bittet der Rekordhalter zuerst zum außergewöhnlichen Fotoshooting, anschließend zur obligaten Saison-Vorschau. „Es war ein Start, der nicht komischer hätte sein können“, denkt er an den 25. Mai 2020 zurück. „Vor dem ersten Wettkampf bin ich jedes Jahr besonders nervös, das ist nichts Neues. Man will wissen, wo man steht, hadert noch mit seiner Form und versucht sich stark zu reden“, meint der 1,96-m-Hüne.  Doch diesmal war es ungleich schwieriger: „Bis Mitte März hätte meine Vorbereitung nicht besser verlaufen können. Ich war verletzungsfrei, wir haben mit eigens für uns konstruierten Kraftgeräten neue Reize im Training gesetzt. Olympia 2020 in Tokio rückte näher und ich wollte am 1. August den besten Wettkampf meines Lebens absolvieren, im Olympia-Finale im Idealfall die 70-m-Marke knacken. Soweit die Theorie…“ 

Home-Office

Doch es kam anders: COVID-19 legte die (Sport-) Welt lahm. Eine Großveranstaltung nach der anderen wurde abgesagt. „Home-Office“ statt Olympia-Vorbereitung. Improvisierte nationale Mini-Meetings ohne Zuschauer statt Diamond League oder Intercontinental Tour. „Vielen Top-Stars fehlt die Motivation. Luki war nach der Olympia-Verschiebung ein paar Tage vom Donner gerührt. Dann haben wir uns neue Ziele gesetzt. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir arbeiten jeden Tag daran, dass er im Olympia-Finale um Gold mitwerfen kann“, meint Coach Gregor Högler. „Das wichtigste Ziel haben wir schon jetzt, nach nur drei Test-Meetings, erreicht: Ich habe bewiesen, dass ich mich weiterentwickelt habe, definitiv der stärkste  Weißhaidinger aller Zeiten bin: Und Weltmeister Daniel Stahl und Vize Fedrick Dacres wissen jetzt endgültig: Mich müssen sie in Tokio auf der Rechnung haben“, betont der Oberösterreicher mit dem Anflug eines Lächelns.