Ein forderndes Jahr neigt sich dem Ende zu. Dabei hat es mit der Heim-Euro doch so gut begonnen.
ALES PAJOVIC: Corona hat das Gefühl der EM leider ein bisschen kaputt gemacht, es war ein richtig guter Start in dieses Jahr. Wir haben unglaublich gespielt. Ich habe mir vor ein paar Wochen wieder Videos angeschaut und es war schon richtig cool. Jetzt siehst du Handballspiele im Fernsehen ohne Publikum – auch bei der Frauen-EM. Es ist nicht dasselbe, wie wenn du 8000 Fans hinter dir hast. Aber das ist jetzt auch schon wieder fast ein Jahr her und das Leben geht weiter. Nun kommt die WM und wir müssen uns wieder konzentrieren. Aber die Gedanken an die EM sind schön.

Wie war die Zeit danach aus der Sicht des Teamtrainers?
Von Jänner bis jetzt hatten wir nur ein einziges Spiel. Das ist unglaublich. Auch für die Vereine und die Spieler ist es nicht leicht – weil einfach keine Zuseher bei den Spielen sind. Die eine Woche spielst du und bist voll im Training. Dann gibt es ein paar Fälle und du bist plötzlich zehn Tage in Quarantäne und musst wieder zurück. Aber Handball geht weiter und ich bin sehr froh, dass die Regierung es ermöglicht hat, dass die Spitzensportler weiterspielen können.

Wie sehr schmerzt der WM-Ausfall von Nikola Bilyk?
Jeder weiß, dass es ohne Niko schwieriger ist. Wir haben auch bei der EM gesehen, wie viel er dem Team bringt. Aber auch Alex Hermann und Raul Santos sind nicht ganz fit und nutzen den Jänner als Pause – dann bekommen eben andere mehr Chancen. Ich bin ein Trainer, der viel in die Abwehr investiert und da haben wir auch bei der EM viel ohne Niko gespielt. Im Rückraum müssen alle Spieler, die da sind, nun ein bisschen mehr geben. Wir haben unser erstes WM-Spiel gegen die USA, und das müssen wir gewinnen. Aber ich weiß noch nicht sehr viel über den Gegner.

Die EM war ein voller Erfolg und auch Sie wurden sehr bejubelt. Wenige wissen, dass diese Zeit für Sie aber auch schwierig war ...
Der vorige Dezember und der folgende Jänner waren für meine Familie nicht einfach. Im Dezember haben wir den Vater meiner Frau bei einem Unfall verloren. Mein Vater hat zwei Jahre mit Lungenkrebs gekämpft und war schon drei Monate zuvor nur im Bett. Das war eine sehr schwierige Zeit und ich war vor der EM auch sehr oft in Celje bei Papa und Mama. Vor dem Deutschland-Spiel habe ich dann den Anruf bekommen, dass er verstorben ist, und bin schnell nach Hause gefahren.

War es Ihnen wichtig, dass nichts nach außen dringt?
Das war keine einfache Situation und es war wichtig, dass die Jungs weiter konzentriert bleiben. Ich habe versucht, das alles mit mir selbst auszumachen. Daher habe ich es nicht öffentlich gemacht. Mit meiner Mannschaft habe ich darüber gesprochen und den Jungs gesagt, dass alles gleich bleibt und es weitergehen muss. Das war meine Sache und die musste ich mit mir klären. Es war nicht einfach, aber ich bin froh, dass wir es dennoch geschafft haben, richtig gut zu spielen.

War es schwierig, nach außen hart zu sein?
Auch wenn alles schiefläuft, versuche ich, ruhig zu bleiben und ruhig mit den Jungs zu kommunizieren. Das bringt viel mehr. Ich bekomme so auch mehr von ihnen zurück. Es hilft nichts, wenn ich in schlechten Zeiten nervös bin – das überträgt sich auch auf die Mannschaft. Darum habe ich das Pokerface aufgesetzt. Aber der Verband und die Jungs sind sehr eng hinter mir gestanden. Das war schön zu sehen. Das Spiel gegen Deutschland war nicht perfekt, aber die EM war es und die Jungs haben richtig gut gekämpft.

Wie war die erste Coronazeit für Sie?
Wir hatten im März mit dem Team noch einen kurzen Lehrgang in Wien mit den Spielern der österreichischen Ligen, kurz danach waren die ersten Spieler positiv. Dann ist alles schnell gegangen. Ich versuche seitdem, alles ein bisschen positiver zu sehen. Ich hatte viel Zeit mit der Familie, und der Lockdown in Österreich war okay. Man konnte mit der Familie in die Natur gehen und das Homeschooling war auch nicht so schlimm. Natürlich war es nicht super, aber man muss Geduld haben und die Zeit durchbeißen. Vielleicht kann es im Frühling wieder normal weitergehen – im Sport und im normalen Leben.

Hadern Sie trotzdem gelegentlich mit der Situation?
Es geht mir gut und ich muss manchmal im Kopf kämpfen. Es gibt Menschen, die ihr Geschäft zumachen müssen, die kein Geld mehr haben und nicht wissen, wie es weitergeht – was sollen die sagen? Darum kann ich wirklich nicht jammern.

Was haben Sie an sich gemerkt in diesem Jahr?
Mir haben die sozialen Kontakte sehr gefehlt. Reden mit Freunden, ein Spiel anschauen, gut essen oder zu Konzerten zu gehen. Ich habe früher nie gedacht, dass das alles so wichtig ist. Aber wenn du es nicht darfst, fehlt es dir. Es war kein Problem für mich, mit der Familie zu Hause zu sein. Mit zwei Kindern ist immer was zu tun und ich war auch viel mountainbiken. Meine Frau und ich reden sehr viel und unterstützen uns gegenseitig sehr. Wir haben es von März bis jetzt geschafft. Das wird auch so bleiben.

Wie bewerten Sie Weihnachten heuer?
Weihnachten war immer sehr schön und wichtig für mich: die Familie, das gemeinsame Essen und auch das Treffen von Freunden. Heuer sind wir zu Hause geblieben und haben Kontakte vermieden. Ich muss sehr aufpassen. Wir starten am Samstag mit der Vorbereitung. Es kommen aber noch viele Weihnachten.

Inwieweit verliert man manchmal aus den Augen, dass die Gesundheit das wichtigste Gut ist?
Wenn du in der Familie jemanden verlierst, der zwei Jahre gegen den Krebs gekämpft hat, siehst du auch: Kein Geld der Welt bringt dir Glück und hilft. Wenn du gesund bist, dann kannst du alles machen – mit der Familie Spaß haben und die Natur genießen. Österreich und Slowenien sind so schön. Ich kann es mir nicht vorstellen, wie es in Italien oder Spanien war, wo die Leute einen Monat oder zwei in der Wohnung eingesperrt waren. Ich muss raus. Immer nur Netflix und Sofa – das schaffe ich nicht. Darum waren wir auch so viel wandern in Aflenz, auf der Teichalm oder auf dem Salzstiegl. Das hilft enorm.

Ist das Handy dann abgedreht?
Wenn ich wandere, mountainbike oder in der Kraftkammer bin, schalte ich es aus. Manchmal erhält man einfach zu viele Informationen. Ein Beispiel: In Ex-Jugoslawien gab es einen Fernsehsender und ein Radio. Die haben etwa gesagt: Geht impfen! Dann sind alle ins Krankenhaus. Das Problem jetzt ist, dass in den Medien und den sozialen Medien so viel diskutiert wird, dass man sich am Ende nicht wirklich sicher sein kann, was stimmt und was nicht.

Ihre Wünsche für 2021?
Gesund zu bleiben und versuchen, auch in diesen schweren Zeiten das Leben zu genießen.