30. August, Tokio und ein bisschen Österreich

Liebe Leserinnen, liebe Leser,  

die Reise nach Tokio neigt sich dem Ende zu und da darf man schon einmal ein Klischee bedienen. Wenn man in Japan ist, muss man etwas über Toiletten erzählen. Der Thron des Japaners ist nämlich voll automatisiert. Bei manchen Modellen wird sogar der Deckel über ein Interface geöffnet und geschlossen und eigentlich alle haben eine bis zwei verschiedenen Spülfunktionen. Die Position der Düsen lässt sich mit ein paar geschickten Tastenberührungen ebenso einstellen wie die Intensität des Strahls. Das Modell in meinem Hotelzimmer ist eher ein simples und mit Piktogrammen durchaus verständlich gestaltet. Mit dem konnte ich mich im Laufe der Woche ein wenig anfreunden.

© Georg Michl

Dank HTL samt Ehrenrunde habe ich zwar ein relativ gutes technisches Verständnis, japanische Schriftzeichen waren allerdings nicht auf dem Lehrplan. Daher wollte ich jüngst schon beinahe aus dem Klo im Pressezentrum fliehen. Das war nämlich die Raumschiff-Enterprise-Version und das Bedienungsfeld war alles andere als selbsterklärend. Zudem war die Brille voll beheizt. „Ich fahre im Sommer ja auch nicht mit Sitzheizung“, dachte ich. Da mir das japanische Zeichen für „Klobrillenheizung“ aber kurz entfallen war, versuchte ich erst gar nicht, das zu ändern. Dann geschah aber das Unvermeidliche. Ich wurde neugierig, wie toll dieses Markenprodukt von Panasonic so spült, doch dann hörte die verdammte Schüssel halt einfach nicht auf. Wobei das wahl- und hilflose Drücken diverser Tasten in diesem Fall bestimmt nicht deeskalierend gewirkt hat. Nachdem ich die Stop-Taste schon fast bis zur Nachbarkabine durchgedrückt habe, war dann endlich Schluss. Teufelsgerät habe ich mir nur gedacht.

Dann stand ich schon vor dem nächsten Problem. Wie spült man hier? Taste wollte ich keine mehr drücken. Mit der falschen hätte ich mitten in der Kabine den Trevi-Brunnen für Arme, dachte ich. Mit einem Blick hinter den Deckel erspähte ich einen „normalen“ Hebel zum Spülen. Ich griff zu und war kurz selig. Den Knopf für „Deckel runter“ habe ich zum Glück erkannt, denn riskiert hätte ich nichts mehr.

In diesem Sinne, immer die richtigen Tasten drücken.

Ihr Georg Michl aus Tokio

30. August, Tokio und ein bisschen Österreich

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

heute war ich endlich wieder einmal in Österreich. Ganz ohne Flug, denn Hassan hat uns dorthin chauffiert. Gut "in Österreich" ist per se etwas sehr dick aufgetragen, aber zumindest war ich auf österreichischem Boden. Botschafterin Elisabeth Bertagnoli war so freundlich und hat uns zu einem Mittagessen eingeladen. Drei Gänge, richtiges Besteck und Porzellan. Ein willkommener Kontrast – sonst gibt es meist Schnell-Essen. Dabei hat sie erzählt, dass die Impfrate im erst sehr skeptischen Japan schon knapp unter 50 Prozent liegt. Die Japaner seien allerdings weiterhin sehr scheu, was die Tests angeht. Sie würden gesellschaftlich und arbeitstechnisch negative Auswirkungen fürchten. Ich bin unterdessen ein Testprofi. Nach zwei Tests in Österreich und einem am Flugplatz werden wir jeden Tag getestet (PCR) und das trotz der restriktiven Maßnahmen.

In Tokio herrscht weiterhin der Notstand und die Akzeptanz in der Bevölkerung ist für die Spiele gering. Sie soll etwa bei 20 Prozent liegen. Ehrlich gesagt habe ich diesen emotionalen Gegenwind in unserem eingeschränkten Bewegungskreis noch nicht gespürt – im Gegenteil. Um vor den Wahlen eine starke Hand zu zeigen, sind die Auflagen für Gäste aus dem Ausland enorm. Überall gilt Maskenpflicht. Wer sich nicht in einer Sportstätte befindet, muss im Hotelzimmer bleiben. Ab dem dritten Tag darf man für 15 Minuten raus, um sich was zu essen kaufen. Frühstücken dürfen wir mit Abstand auf dem großen Tisch der Lobby, ein Restaurant gibt es nicht. Ebendort haben wir jüngst am Abend auch ein herrliches Sushi gegessen – mit Abstand und dem Okay von der Rezeption. Und Zack! Am nächsten Tag flatterte eine Verwarnung vom Internationalen Paralypmischen Committee herein. Weil wir – Achtung! - "ohne Maske" gegessen haben. Was hätten wir machen sollen? Die Fisch-Reis-Kombination oben in die Maske kippen? Oder wie ein Pferd aus dem Hafersack schmausen? Sei es drum. Fix ist, es hat uns jemand ganz oben angelehnt – obwohl alles vollkommen legal war.

Aber ich habe eine Möglichkeit gefunden, mich vor den (elektronischen) Spionen der Offiziellen zu schützen. Im Pressezentrum werden kühlende Sitzpölster für die Sportstätten verteilt. Dass man sich auf den heißen Sesseln nicht verbrennt. Genau, Sitzpölster. Das kann die Regierung einem anderen erzählen. Man muss über den Tellerrand schauen und darf sich nicht alles vom System einreden lassen. Es ist in Wirklichkeit nämlich ein Aluhut. In der Botschaft habe ich den freilich nicht aufgesetzt, weil da waren wir ja sicher.

Spaß beiseite. Wir haben der Botschafterin nach dem Essen und Kaffee (ein Traum im Vergleich zu der Automatengschloder, das wir sonst bekommen) auf jeden Fall versprochen, dass wir "brav bleiben". Ein paar Journalisten wurden bereits vorzeitig nach Hause geschickt, weil sie sich nicht an die Regeln gehalten haben und essen gegangen sind.  

In diesem Sinne, immer schön brav bleiben

Ihr Georg Michl aus Tokio

29. August, Tokio

Liebe Leserinnen, liebe Leser

die Straßen von Tokio sind am Sonntag regelrecht ausgestorben. Wo sich sonst die Blechlawinen stauen, gibt es freie Fahrt. Am Sonntag schlafen sich die sonst so geschäftigen Japaner einmal richtig aus, putzen ihre zwölf Quadratmeter und erst am Nachmittag beginnt es auf den Straßen zu wuseln. Dann kaufen die Japaner ein und gehen ein bisschen aus. Viele verbringen ihre Zeit auch im Sento oder einem Onsen. Während es im Sento (Badehaus) um die Reinigung geht, wird in den warmen Quellen eher entspannt. In manchen dieser öffentlich zugänglichen Orte herrscht in Tokio Geschlechtertrennung, andere sind da etwas lockerer. Bei FKK-Pflicht ist eines aber strikt verboten, erzählt uns Fahrer Hassan, während er uns durch die beinahe leeren Straßen chauffiert: Tätowierungen. "Gepeckt" sind in Japan nämlich nur Mitglieder der Yakuza, der ortsansässigen Mafia. Mit dieser Rechnung wäre Österreich ein Land voller Schwerverbrecher, erklärte ich ihm. Hassan lachte nur: "Maybe". Das in Österreich alteingesessene Vorurteil "nur Häfenbrüder sind tätowiert" hat hier in Japan durchaus seine Richtigkeit.

Am Geruch wären die Yakuza aber nicht zu erkennen – sie haben eigene Badehäuser und Orte der Entspannung. Erkennungsmerkmal ist ihre überaus elegante Kleidung und die Handtasche. Passend zum schicken Zwirn trägt der elegante Gauner aber nicht irgendwelche billigen Sackerl. Der modebewusste Mafioso präferiert das Modell "Damen-Handtasche", um den Erlös aus dem erpresserischen Tagesgeschäft in der Gegend herumzutragen. In Tokio selbst sei die japanische Mafia allerdings nicht wirklich aktiv. Hassan hat hier noch keinen gesehen, das Epizentrum der gewerblichen Gaunerei im Land der aufgehenden Sonne ist Osaka. "Sie sind freundlich", sagt Hassan, "ich habe in Osaka einen gefragt, was er in der Tasche hat. Er hat sie geöffnet und es mir gezeigt." Angeblich waren 3.000.000 Yen drin, das sind umgerechnet 25.000 Euro. Ich habe Hassan erzählt, dass es bei uns auch ein paar Lauser gibt, die schick angezogen sind, ein bissi mit fremdem Geld jonglieren und freundlich tun. Bei uns nennt man die aber anders . . .

In diesem Sinne, es gilt die Unschuldsvermutung

Ihr Georg Michl aus Tokio

28. August, Tokio

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Eigentlich schreibe ich Ihnen hier ja nicht über Sportliches. Aber dieses Mal möchte ich eine Ausnahme mache, weil ich wirklich zutiefst beeindruckt bin. Ich bin heute ins Olympic Stadium gefahren, weil ich Natalija Eder beim Speerwurf zugesehen habe. Während der Würfe waren Laufbewerbe auf der Tartanbahn angesetzt; unter anderem das 400 Meter Finale der blinden Athletinnen. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich aus der Nähe miterlebt, wie blinde Sportler auf Weltniveau mit ihren Begleitläufern Schulter an Schulter spurten. Es ist ab der ersten Millisekunde die perfekte Harmonie. Spiegelverkehrt laufen die Paare durch das Oval und sind dabei mit einem kurzen Band miteinander verbunden. Mit Vollgas. Jeder, der jemals auf Anschlag einen 400er gelaufen ist, weiß, dass man sich da auf viel konzentrieren muss: dass man nicht umfällt, die Bahn nicht verlässt oder sich nicht übergibt. Aber auf keinen Fall darauf, dass man perfekt synchron mit einem anderen Menschen läuft. Das Vertrauen der beiden Sportler zueinander muss unendlich groß sein – das sprichwörtliche „blinde Vertrauen“. Cuiquing Liuund ihr Begleiter Donglin Xu holten in 56,25 Sekunden Gold – für mich eine unerreichbare Zeit. Österreichs Olympia-Seelsorger Pater Johannes Paul Chavanne hat zu mir hier gesagt: "Sportliche Leistung zollt mir Respekt ab, Emotion berührt mein Herz." Ein wahres Wort, aber bei den Paralympischen Spielen wird auch mein Herz von diesen Leistungen berührt.

In diesem Sinne, Vertrauen haben.

Ihr Georg Michl aus Tokio

28. August, Tokio

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Mein Chef sagt immer, dass ich grantig dreinschaue. Gut – nicht nur mein Chef ist dieser Meinung und ich habe das an dieser Stelle auch schon einmal mit dem "Resting Bitch Face"(zur englischen Erklärung) erklärt. Die äußerst hilfsbereiten Japaner dürften meinen Gesichtsausdruck (vielleicht wegen der Maske) allerdings eher als Hilfeschrei deuten. Denn immer, wenn ich irgendwo herumstehe und einfach nur schaue, kommt zumindest einer angerannt und fragt mich, wie er mir beistehen kann. Beim Schwimmen habe ich nach dem Sicherheitscheck auf die Kollegen im Freien gewartet. Nach wenigen Sekunden war ein junger Mann bei mir und hat nach einem kurzen Blick auf meine Akkreditierung gesagt: "Follow me." Weil ein "Nein" bei den Japanern einer schweren Beleidigung gleichkommt, bin ich ihm brav hinterhergedackelt. Zugegeben, ein wenig habe ich mich gefühlt, wie ein verlorengegangenes Kleinkind in einem großen schwedischen Möbelgeschäft. Ich wurde dann nach drei Gehminuten allerdings nicht im "Småland", sondern im Pressezentrum abgegeben. Der junge Mann hat sich an der Tür verbeugt und ich habe mich artig samt Verbeugung bedankt. Ich habe Kollege Matthias N. dann geschrieben, dass ich "entführt" wurde. Ich dachte aber nur: "Der kleine Georg kann im Pressezentrum abgeholt werden." Hat N. dann auch gemacht.

In diesem Sinne, immer schön in Bewegung bleiben.

Ihr Georg Michl aus Tokio

27. August, Tokio

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

unser Fahrer Hassan fährt durch die Straßen Tokios einen derartig flotten Pneu, dass wohl selbst "Iceman" Kimi Räikkönen feuchte Augen vor Freude bekommen würde. Die runden Tafeln mit Zahlen wie "40" oder "50" sieht er maximal als Empfehlung, eventuell als Minimum an. Hassan kommt ursprünglich aus der pakistanischen "Kleinstadt" Lahore mit mageren 12 Millionen Einwohnern – provinziell im Vergleich zur Metropolregion Tokio mit gut 38,5 Millionen. Platz ist, ob der vielen Menschen, Mangelware und so werden Mietpreise veranschlagt, die einem österreichischen Makler feuchte Augen bescheren würden. Eine Wohnung mit zwölf Quadratmetern und Balkon kostet rund 600 Dollar, ohne Küche. Die ist scheinbar Luxus. Leute, die keine haben, gehen einfach jeden Tag essen, oder holen was. Das sei unterm Strich immer noch billiger. Aber "alles ist hier sehr gesund", sagt er. Wenn die öligen Nudeln gestern Abend gesund waren, dann ist jedes steirische Backhedl ab jetzt ein Fitnessteller.

Weil Tokio richtig, richtig teuer ist, lebt Hassan weite außerhalb, dafür aber auf relativ großem Fuß: Rund 40 Quadratmeter mit Parkplatz für 800 Dollar kalt zahlt er in "Dorf" Saitama (1,3 Millionen). Aber der wahre Luxus ist das Automobil. Eine Fahrt auf der Autobahn kann ein richtiges Loch in das Budget reißen. Denn es wird direkt abgerechnet. 140 Kilometer vom Hotel zum Radfahren-Bewerb beim Fuji Speedway kostet etwa rund 5000 Yen, umgerechnet 40 Euro plus Sprit. Würde man Hassan privat buchen, kostet ein Ausflug zum Mount Fuji rund 450 Dollar. Aber weil Touristen gerade Mangelware sind, kauft er alte Autos und richtet sie her.   

Hassan vor seinem "Boliden"
Hassan vor seinem "Boliden" © KK/SCHWABL

Hassan hat in seiner Wohnung übrigens eine Küche. In der zaubert sicher der 25-Jährige aber maximal eine Eierspeise zum Frühstück, der Rest wird unterwegs gekauft. Zu Beginn der Pandemie ist das Fahrgeschäft komplett eingebrochen und er hat sich lange mit "Netflix und Essen" die Zeit vertrieben. Daher hat er an Volumen dazugewonnen. "Früher hatte ich viele Freundinnen, aber jetzt nicht mehr", sagt er, "weil ich so fett bin, bekomme ich keine junge Freundin." Die sehr wählerischen Japanerinnen würden eben auf schlanke und propper gestylte Männer stehen, notfalls noch auf extrem lustige. Die attraktivsten Herren werden daher von den jungen Damen erwählt. Je älter die japanischen Damen werden, erklärte er uns, desto weiter schrauben sie ihre Ansprüche nach unten. Er würde jetzt "bestenfalls" von einer 30-Jährigen erwählt werden, Ex-Kicker Matthias N. von einer 20-Jährigen. Wo ich im Auto-internen Alters-Ranking gelandet bin, verschweige ich lieber. Im Kaufgeschäft habe ich mir dann aber ein Cola Zero genommen. Und um vom Gewichtsthema abzulenken, habe ich ihm erklärt, dass er ein "Pfuscher" ist. Nach "Oida" das zweite österreichische Wort, das er jetzt beherrscht.  "Käsekrainer" kommt als nächstes, weil die ist sicher auch gesund. Was tut man nicht alles für die Völkerverständigung.

In diesem Sinne, immer schön auf die Linie achten.

Ihr Georg Michl aus Tokio

26. August, Tokio

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Im Homeoffice habe ich die unangenehme Eigenschaft entwickelt, den Fernseher nebenbei laufen zu lassen. Damit es nicht ganz so leise ist. Meist habe ich ORF2 – gelegentlich gerne noch FS2 genannt - primär als Hintergrundgeräuschkulisse rennen gelassen. Sendungen von "Fit mit Philipp" bis "Sturm der Liebe" haben mich durch die Tage begleitet – meist bis der TV-Apparat sich nach Stunden von selbst abgeschaltet hat. Nebenher einfach so den Fernseher rennen lassen und sich dabei auf etwas anderes zu konzentrieren, schaffe ich in Japan definitiv nicht. Was hier im TV abgeht, ist laut, schrill, bunt und vollkommen unverständlich – sprachlich und inhaltlich. Ständig lacht jemand, oder ekelt sich, worüber andere wiederum lachen. Was auffällt: In der Werbung trinken hauptsächlich die Damen Bier. Während bei uns Skistars in der Alpenidylle eine Halbe zischen, haben hier junge Damen mit Plastikbechern mords viel Spaß und lachen.

In einem anderen Spot wirbt eine Lady im Weißen-Tiger-Outfit für amerikanischen Whiskey. Dabei schlürft sie im Siegfried&Roy-Gedächtnis-Look aber nicht ein Stamperl. Nein. Sie hat einen randvollen halben Liter Krug mit Eis in der Hand und lacht. "Das Lachen würde dir aber spätestens nach der Hälfte vergehen", dachte ich mir. Egal, es ist einfach unmöglich, wegzuschauen. Es scheint, die meisten Sendungen zielen darauf ab, dass sich ein paar Menschen komplett zum Affen machen und andere darüber lachen. Völlig konträr zu den Menschen, die man hier bei den Sportstätten trifft – woanders dürfen wir ja eh nicht hin. Alle Freiwilligen, Offiziellen und Polizisten sind stets höflich, förmlich, hilfsbereit und wahren stetes die Contenance.

Aber den absoluten TV-Höhepunkt hat Matthias N. beim Zappen entdeckt und ist dabei hängen geblieben. Eine Katze wurde auf die Ladebordwand eines kleinen Lieferwagens gesetzt und eine Stunde lang durch die Gegend gefahren. Die Miezekatze hat sich mehr oder minder entgeistert die Umgebung angesehen. Danach wurde das gute Tier noch gewaschen und gebürstet. Das war's, Sendung aus.

Stephan S. hat gesehen, dass Menschen in einem abgesperrten Uferbereich nach Fischen greifen mussten. Darunter waren auch Zitteraale. Wenn es einen der "Fischer" gefetzt hat, haben die andern - richtig - laut gelacht. Petri Heil! Das war bestimmt auch recht lustig. Irgendwie freue ich mich schon wieder auf "Fit mit Philipp."

In diesem Sinne, immer schön den Fernseher ausschalten.

Ihr Georg Michl aus Tokio

25. August, Tokio

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Die Japaner nehme es mit der Maskenpflicht wirklich sehr genau. Nicht einmal im Freien darf der Schutz abgenommen werden, von Sportstätten oder Verkehrsmitteln gar nicht erst zu reden. Ehrlich gestanden wird das mit der Zeit ein wenig anstrengend, aber es ist ebenso. Übrigens empfiehlt es sich, die Bänder mit einem Gummiband zu verbinden, um so die Ohren zu entlasten. So wird man außerdem nicht der "Erlkönig" von Tokio. Öffentliche Transportmittel sind für Besucher des Landes in den ersten zwei Wochen ihres Besuchs aber ohnehin tabu (wie fast alles andere auch - aber dazu später) und daher fahren wir entweder mit Taxis oder unserem Fahrer Hassan. Hassan ist eigentlich aus Pakistan und zum Studieren nach Japan gekommen.

Mittlerweile kennt er die Stadt wie seine Westentasche, was die oft zufällig anmutende Routenwahl durch Minigassen in einem anderen Licht erscheinen lässt. Er schafft es mit seiner ruhigen, charmanten Art auch, die aufgeregten Polizisten oder Einweiser davon zu überzeugen, uns eben doch durchzulassen. In der schwülen Hitze ist jeder Meter zu Fuß eine schweißtreibende Angelegenheit. Hassan kennt sich aber nicht nur auf den Straßen aus, sein Japanisch ist perfekt – samt Spezialausdrücken und da hat er uns einen beigebracht: "Masuku sagi" – Kennen Sie nicht? Verständlich. Im Prinzip ist es das Pendant zum österreichischen "Maskengewinner". Ein "Masuku sagi" ist ein Mann oder eine Frau, die mit Maske sehr attraktiv und anmutig aussieht, ohne aber eher nicht. Immer, wenn ich jetzt bei Hassan einsteige, ziehe ich die Maske ein wenig höher hinauf. Zur Sicherheit.

In diesem Sinnen, immer schön die Maske oben lassen.

Ihr Georg Michl aus Tokio

PS: Für die Taxis haben wir Gutscheine bekommen, der Bausparer bleibt weiter unangetastet. Noch.

24. August, Tokio Flughafen

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Geduld ist gefragt, wenn man aktuell nach Japan einreisen möchte. Ob man es auch tatsächlich kann, darüber entscheiden aber sehr viele Faktoren und noch mehr Menschen. Geschlagene viereinhalb Stunden hat es gedauert, bis wir es vom Flugzeug an die frische Luft geschafft haben. Dabei hatten wir noch Glück, Schauermärchen von Einreisen bis zu sieben Stunden haben die Stimmung etwas gedrückt. Dass es dann doch nicht so lange gedauert hat, lag daran, dass wir beinahe die einzigen Passagiere auf dem Flughafen waren. Das Ausmaß der vergangenen Wartereien war aber gut zu erkennen. Alleine in einem Gang standen gut 400 Stühle vor der zweiten Station des Spießrutenlaufs.

Dennoch schien das Prozedere und die Warterei einfach kein Ende nehmen zu wollen. Die Zettel, die man in die Hand gedrückt bekam, wurden immer mehr und ständig sagte jemand fragend "Ocha?". Hierbei handelt es sich um eine App auf dem Smartphone, ohne die genau gar nichts geht. In unterschiedlichen Rubriken müssen Daten von der Reise bis zum Gesundheitszustand eingegebenen werden. Auch die vor der Abreise durchgeführten PCR-Tests muss der Reisende in der App hinterlegen. "Ocha", Reisepass, Tests (ausgedruckt), Akkreditierung, Boarding Pass, Gesundheitsformular . . . nach dem Spuck-PCR-Test habe ich mich schon fast gewundert, dass sie mich nicht nach meinem Bausparvertrag gefragt haben. Immer mehr aufgeregte "Freiwillige" schwirrten um uns herum. Entweder wollten sie irgendeinen der Zettel sehen oder wieder wegnehmen. Als letzter Punkt nach erfolgreicher Fingerabdruckabgabe stand dann noch der Zoll an und: Obacht! "Ocha" die vierundzwanzigste. Ich bin schon neugierig, ob ich bei weiterhin fehlerloser Anwendung nach der Reise einen Master in "Ocha" bekomme. Verdient wäre er bestimmt, zumindest ein Bachelor in Geduld sollte es werden.

In diesem Sinnen, immer schön alle Zettel beieinander haben.

Ihr Georg Michl aus Tokio

24. August, irgendwo über Russland

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Ich sitze im stockfinsteren Flieger und bin putzmunter. Wieder einmal. Dabei habe ich das vollkommen anders geplant, fast schon generalstabsmäßig. Denn ich bin ein richtig mieser Flugzeugschläfer und weil ich 1,97 Meter groß bin, ist es meist zu eng, um zu schlafen. Dieses Mal wollte ich es anders machen. Besser. Der Plan: Um 13.30 Ortszeit sind wir in Wien weggeflogen und um 7.40 Uhr Ortszeit landen wir in Tokio – dazwischen mindestens sechs Stunden Augen zu, um nicht vollkommen Banane in Japan auszusteigen. Dafür habe ich extra Ohropax und etwas zum Bedecken der Augen mitgenommen. Ein lieber Freund hat mir vor dem Abflug sogar eines dieser Nackenhörnchen geschenkt. Die würden nach den Angaben meines Vielfliegervaters zwar nichts bringen und mich quasi als Amateur outen, aber selbst das war mir für eine Mütze voll Schlaf egal. Beim Check-in habe ich die Reihe 17 genommen - meine Glückszahl -, in der Hoffnung, dass ich keinen Sitznachbarn habe und ich hatte den Jackpot: drei Plätze für mich alleine. Halleluja! In Tokio werde ich frischer sein als Sushi, dachte ich mir da noch.

Kurz nach Moskau habe ich mich zurechtgemacht: Maske, Ohropax, Tuch über die Augen, Hörnchen um den Hals und Gute Nacht. Nichts. Umdrehen. Warten. Nichts. Gut es war wirklich noch ein bisschen früh, also schaute ich eine Folge "Tatortreiniger" auf Netflix. Dann wieder adjustieren und jetzt aber! Buona notte Karotte. Zwei Stunden drehte ich mich zusammengekauert hin und her und döste immer wieder ein. Teilerfolge, bis ein kleines Kind bitterlich zu weinen begonnen und auch nicht aufgehört hat. 20 Minuten habe ich das Sandmännchen angefleht - und dann aufgegeben. Tuch runter, Hörnchen weg, Ohropax grantig raus und ich sah in die traurigen Augen des kleinen Mädchens. Die Mutter nahm sie hoch und ging mit ihr den Gang auf und ab. Ich kann dem armen Bauxerl keine Sekunde böse sein und schaue einfach die restlichen Staffeln "Tatortreiniger". Ein wenig "Hubert und Staller" habe ich zuvor sicherheitshalber auch runtergeladen. Weil beim Serienschauen, da bin ich wahrlich kein Amateur und bei der Landung klatschen werde ich auch nicht. Versprochen.

Übrigens, der DalaiLama sagte einmal: "Falls du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas zu bewirken, dann versuche einmal zu schlafen, wenn eine Mücke im Raum ist." Ich wüsste ein ebenso gutes Beispiel.

In diesem Sinne,

Ihr Georg Michl