"Wenn Sie dorthin als Touristen gehen und ohne etwas zurückkommen, kommen Sie besser gar nicht ins Land zurück", hört man den weißrussischen PräsidentenAlexander Lukaschenko in einem Video-Mitschnitt, der vergangenen Sonntag von Aktivisten veröffentlicht wurde. Es ist eine unmissverständliche Drohung, doch die Geschichte scheint einen anderen Lauf zu nehmen. Nicht Weißrussland verweigert den Athletinnen und Athleten die Einreise, sondern immer mehr von ihnen möchten gar nicht mehr zurück ins eigene Land.

Weißrussland laufen die Athleten weg und auch die sportlichen Leistungen sind wohl kaum nach dem Wunsch Lukaschenkos. Im Medaillenspiegel liegt das Land mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern bei einer Goldmedaille und einmal Bronze auf Rang 53.

Nach Kristina Timanowskaja, die aufgrund ihrer Kritik an den Sportfunktioniären zunächst in die Heimat beordert wurde, dann floh und nun in Polen um Asyl ansuchen musste, möchten nun auch Jana Maximowa und Andrej Krawtschenko nicht mehr zurück. Das Ehepaar - beide sind erfolgreiche Mehrkämpfer - hält sich derzeit in Deutschland auf und wird dort auch bleiben. In Tokio konnten sie nicht teilnehmen. Krawtschenko wurde gar aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen, Maximowa scheiterte an der Qualifikation. Die beiden haben eine kleine Tochter und fürchten nun um ihre und deren Zukunft.

In einem Instagram-Posting gab Maximowa zu bedenken, dass man in Weißrussland offenbar nicht mehr nur seine Freiheit, sondern sogar sein Leben verlieren könne. In Deutschland habe sie hingegen die Gelegenheit "durchzuatmen und zu denen zu gehören, die für die Freiheit kämpfen". Und: "Wir werden definitiv gewinnen", schreibt sie und hofft, dass  ihre sportliche Karriere weitergehen wird.

Maximowas Ehemann Andrej Krawtschenko ist kein Unbekannter. Bei den Olympischen Spielen in Peking holte er die Silbermedaille im Zehnkampf, wurde im Vorfeld der Spiele in Tokio allerdings aus der Nationalmannschaft geworfen. Der Grund: Gemeinsam mit mehr als 500 anderen Sportlern unterschrieb er einen offenen Brief, in dem die Polizeigewalt und die Fälschung der Präsidentschaftswahlergebnisse kritisiert wurde. Auch Neuwahlen und die Freilassung politischer Gefangener forderten die Unterzeichner. Krawtschenko wurde daraufhin für zehn Tage inhaftiert, auch anderen Demonstranten blühte ein ähnliches Schicksal.

War Kristina Timanowskaja nur der Anfang?

Timanowskaja, Maximowa, Krawtschenko - und die Liste wird wohl noch länger. Aus Angst vor dem Regime und Präsident Lukaschenko floh auch Handballtrainer Konstantin Jakowlew aus Weißrussland in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Im Juni wurde Jakowlew bereits für 15 Tage ins Gefängnis, weil er Trainings öffentlich abhalten lassen wollte. Vonseiten des weißrussischen Regimes wurde dies damals aber als "politische Versammlung" wahrgenommen und untersagt.

Maximowa hofft unterdessen, irgendwann unter der weiß-rot-weißen Oppositionsflagge für ihre Heimat antreten zu können. Nach 16 Jahren unter weißrussischer Flagge in der Nationalmannschaft soll sich endlich etwas ändern. In Deutschland kann sie jetzt tief durchatmen und Kraft sammeln.