Die Frage, ob Naomi Osaka bei Olympia antreten wird, dürfte sich mit der Auslosung vom Donnerstag endgültig erledigt haben. Die Nummer zwei der Tennis-Weltrangliste und Top-Anwärterin auf das begehrte Einzel-Gold beginnt ihren Weg beim am Samstag beginnenden Turnier gegen die Chinesin Zheng Saisai. Die Spiele in ihrer japanischen Heimat werden ihr erster Auftritt, seit die 23-Jährige vor knapp zwei Monaten öffentlich machte, unter Depressionen zu leiden.

Sie ist die Tochter einer Japanerin und eines Haitianers. Sie wurde einst in Osaka geboren. Als sie drei Jahre alt war, zogen ihre Eltern mit ihr in die USA. Nun tritt sie in Tokio für Japan an und soll zum Gesicht dieses Weltereignisses werden. Wie wird sie mit ihrer - trotz der leeren Zuschauerränge - viel beachteten Rolle umgehen?

Die Restriktionen für Journalisten dürften Osaka jedenfalls entgegenkommen. Bei den French Open in Paris hatte sich die vierfache Grand-Slam-Gewinnerin aus persönlichen Gründen dazu entschlossen, keine Medientermine wahrzunehmen. Seit den US-Open 2018 leidet Osaka unter lang anhaltenden Depressionen. Als sie nach ihrem Erstrundensieg der Pressekonferenz fernblieb, bekam sie eine Geldstrafe von 15.000 Dollar. Die Organisatoren drohten mit einer Sperre.

Dann zog Osaka ihre Teilnahme zurück. In den sozialen Netzwerken erklärte sie, sie sei grundsätzlich eine introvertierte Person. Öffentlich zu reden, falle ihr schwer. In der Tat wirkte es oft so, dass sie sich in der Rolle am Mikrofon nicht wohlfühlte. Sie kommt schüchtern rüber, spricht oft mit leiser Stimme, gab aber auch Einblicke und machte sich mit ihrem Kampf gegen den Rassismus einen Namen.

Sie habe oft erlebt, dass Menschen keinen Respekt für die mentale Gesundheit von Athletinnen und Athleten haben, äußerte sich Osaka in den Sozialen Netzwerken. Sie habe viele gesehen, die nach einer Niederlage bei einer Pressekonferenz mental zusammengebrochen waren. Es sei lächerlich, dass die Organisatoren eine Geldstrafe verhängen können, wenn man nicht zur Pressekonferenz erscheint.

Ihr Rückzug löste viel Wirbel im Tennissport aus. Es gab weltweit Diskussionen, aber auch viel Applaus und Anerkennung für ihre Offenheit. Der internationale Tennisverband ITF und auch die Spielerinnen-Organisation WTA hatten daraufhin angekündigt, die Sache sehr ernst zu nehmen.

Japans Gold-Hoffnung bei Olympia

In den vergangenen Wochen war Osaka zwar von den großen internationalen Tennisplätzen verschwunden, aber nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung. Erst am Freitag kam eine Netflix-Dokumentation über sie heraus, mit Stolz präsentierte sie kürzlich ihre eigene Barbiepuppe. In Bademode war Osaka auf dem Cover der "Sports Illustrated", auch die "Vogue" brachte sie auf der Titelseite.

Auf dem Tennisplatz gelang ihr in den vergangenen Jahren der Umgang mit Druck bemerkenswert. Sie wurde je zweimal Australian-Open- und US-Open-Siegerin. Jeweils auf Hartplatz. Dem Belag, auf dem auch in Tokio gespielt wird. "Ich habe mir erlaubt, den Traum zu träumen, die Goldmedaille zu gewinnen", sagte Osaka schon vor einer Weile.

Osaka beim Training auf dem Centre Court
Osaka beim Training auf dem Centre Court © (c) imago images/Xinhua (Dai Tianfang via www.imago-images.de)

Ihre Vorbereitung auf ihre Olympia-Premiere konnte sie am Donnerstag in Ruhe, aber doch nicht völlig abgeschirmt angehen. Mehrere Fotografen und Kameraleute nahmen am Donnerstag auf, wie Osaka auf dem Centre Court trainierte.

Anders als Osaka werden in Tokio viele Top-Stars des Tennissports fehlen. Dominic Thiem (verletzt), Serena Williams, Rafael Nadal, Roger Federer und Simona Halep sind aus unterschiedlichen Gründen nicht dabei. Novak Djokovic wird hingegen antreten. Der Serbe könnte sich in dieser Saison mit dem Sieg bei den US-Open auch noch den Golden Slam sichern.