Für Fünf-Sterne-Nervenkitzel in der Formel 1 eignet sich kaum ein Ort besser als das Autódromo José Carlos Pace. Crashs und Wetterchaos haben Interlagos zu einer fast schon mythischen Etappe gemacht. Vor den Toren von São Paulo könnte Max Verstappen im WM-Duell mit Lewis Hamilton nun sogar eine Vorentscheidung erzwingen. Der niederländische Red-Bull-Pilot reist mit einem Vorsprung von 19 Punkten auf seinen englischen Mercedes-Rivalen nach Brasilien.

Verlässt Verstappen den viertletzten Grand Prix des Jahres mit einem Polster von 24 Zählern, kann er seinen ersten WM-Titel erringen, ohne Hamilton im direkten Duell noch einmal schlagen zu müssen. "Die Dinge können sehr schnell schief gehen oder richtig laufen", sagte ein vorsichtiger Verstappen nach seinem Meisterstück in Mexiko am vergangenen Wochenende. Der Kurs in Mittelamerika sei "immer eine wirklich gute Strecke für uns" gewesen, bemerkte der 24-Jährige. "Ich erwarte, dass Brasilien nicht so sein wird wie hier."

Wolff: "Es ist eine Red-Bull-Strecke"

Mercedes hofft das natürlich. Strecken in Höhenlage kommen Red Bull mit seinem höher gestellten Heck entgegen. Der Kurs in Mexiko-Stadt liegt rund 2200 Meter über dem Meeresspiegel, das Autódromo José Carlos Pace auf etwa 800. "Wir glauben, dass wir ein solides Auto haben und näher an Red Bull dran sein können als hier", meinte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff mit Blick auf das erste Brasilien-Rennen nach einer Corona-Pause. "Ich hoffe, wir können das Muster durchbrechen, denn es ist eine Red-Bull-Strecke. Wir werden alles geben und versuchen zurückzuschlagen."

Hamilton ist längst in einer Muss-Lage. Der siebenmalige Weltmeister muss Punkte aufholen. Er muss wieder gewinnen, sonst platzt vorerst der Traum vom alleinigen WM-Rekord vor Michael Schumacher. "Wir geben alles", versicherte der 36-Jährige. Hamilton hofft auf ein Finale bis zum Schluss, denn die Kurse in Katar, Saudi-Arabien und Abu Dhabi liegen deutlich niedriger als Mexiko und Brasilien.

In Interlagos, das ohnehin immer Drama en masse bietet, wird in dieser Saison zum dritten und letzten Mal auch noch ein Sprintrennen ausgetragen. Wenn es ein Wochenende wie in Silverstone und Monza wird, dann kracht es. In England gewann Verstappen das neue Format über 100 Kilometer mit freier Reifenwahl, im Rennen schied er nach einer Kollision mit Hamilton bei höchster Geschwindigkeit aus. In Italien entschied Valtteri Bottas im zweiten Mercedes den Sprint für sich, im Grand Prix crashten sich Verstappen und Hamilton spektakulär ins Aus.

Ob es nun wieder scheppert? Der Formel-1-Tross freut sich jedenfalls über die Rückkehr. 2020 musste der Grand Prix ausfallen. "Die Fans sind dort unheimlich leidenschaftlich, und Interlagos ist eine extrem ikonische Strecke", sagte Wolff.

Auf dem Höhepunkt einer außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie im Frühjahr auf der Südhalbkugel war auch im reichen São Paulo das Gesundheitssystem zusammengebrochen, Massengräber wurden ausgehoben.

Insgesamt haben sich in Brasilien nach offiziellen Angaben fast 22 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert, fast 610.000 Patienten sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben - mehr Tote gibt es nur in den USA. Brasilien hat 210 Millionen Einwohner. Mit dem Fortschreiten der Impfkampagne – im bevölkerungsreichsten Bundesstaat São Paulo sind mehr als 70 Prozent der Bevölkerung komplett geimpft – ging die Zahl der Toten stark zurück.

Der Bürgermeister von São Paulo, Ricardo Nunes, erwartet in Interlagos an drei Tagen bis zu 170.000 Zuschauer, wie er in einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche gesagt hatte. Interlagos ist bereit für eine große Formel-1-Show.