Die Schäden, die Max Verstappen bei Red Bull Racing schon verursacht hat, gehen in die Millionen. So genau nachgerechnet hat wohl niemand. Aber: Der vielleicht wichtigste, manchmal entscheidende Grundsatz eines Rennfahrers ist: schlage zuerst deinen Teamkollegen, sei schneller als der „Feind“ von nebenan, schlage ihn wo es nur geht. Beim Testen, im Training, im Rennen. Diese These wird in der ersten Theoriestunde des Rennsports gelehrt. Und nun versetze man sich einmal in die Rolle des Max Verstappen. Der Heißsporn, ausgestattet mit einer ordentlichen Portion Selbstvertrauen, ist von sich selbst überzeugt, jeden schlagen zu können. Auch im Red Bull, der heuer ja mehr als nur konkurrenzfähig ist, dem ganz brauchbare Sieger-Attribute eingepflanzt wurden.

Warum soll dann Verstappen seinen Teamkollegen Daniel Ricciardo das Überholen erleichtern, wenn er, wie zuletzt in Baku, riesengroß im Rückspiegel auftaucht? Es kam, was kommen musste. Ricciardo und Verstappen kollidierten, Nullnummer für beide. Dabei träumt Verstappen natürlich vom WM-Titel, den er seiner Meinung nach schon längst hätte gewinnen müssen. Aber unterm Strich kommt die Szene zur Weisheit, dass sich Verstappen wohl selbst am meisten im Wege steht. Vor allem nach dem Crash mit Vettel in China, dann mit Ricciardo in Baku. Da schaut halt derzeit nicht mehr als der achte Platz in der WM heraus, 52 Punkte Rückstand auf Hamilton. Und Niki Lauda hat dazu gemeint: „Normalerweise wachsen Piloten nach ihren Fehlern, Verstappen wird kleiner.“

In Barcelona, bei der Europa-Premiere, steht er weiter unter Beobachtung. Im Red-Bull-Werk kam es zur Aussprache. Ohne böses Blut, ohne Schuldzuweisungen. Nur mit dem Auftrag, dass „beide so g’scheit sein müssen, dass es gar nicht zu einer Situation wie in Baku kommt“, sagt Helmut Marko. Und wenn es wieder nicht funktioniert, wird wohl ein entsprechender Marschbefehl aus der Box nicht zu vermeiden sein. Ansonsten gilt aber, wie bei Red Bull üblich, freie Fahrt für beide. Noch.

Die Fachpresse ist sich einig, dass Verstappen das Zeug zum Weltmeister hat. Er will vielleicht nur zu viel. Und das zu schnell. Er meint, „über Wasser gehen zu können“, schreibt „Auto, Motor und Sport“. Er müsse aber zuerst die Reifeprüfung ablegen, sein unwidersprochenes Talent und die Siegfähigkeit des RB 14 kontrolliert bis ins Ziel nutzen. Ohne diese Matura könne er sich nicht nur die WM ruinieren, sogar seine ganze Karriere. Dabei zeigt es Daniel Ricciardo mit fast klinisch sauberen Überholmanövern vor.

Auch wenn er manchmal Reue zu zeigen scheint, weiß man beim Holländer nie so genau, wann ihm die Zornesröte wieder ins Gesicht steigt. Und er sich wieder zu einer Gedankenlosigkeit hinreißen lässt.