Das Formel-1-Traditions-Team Williams hat in Spielberg für eine faustdicke Überraschung gesorgt. Nach Pole für Felipe Massa und Platz zwei für den Finnen Valtteri Bottas okkupieren die Briten die erste Reihe für den Comeback-Grand-Prix von Österreich am Sonntag. Vor allem Routinier Massa strahlte danach wie schon lange nicht. Der Brasilianer erlebt mit 33 Jahren gerade einen zweiten Frühling.

Dabei gilt der kleine "Paulista" in der Szene eher als tragische Figur und ist in Brasilien weit weg von der Strahlkraft eines Ayrton Senna. Als jahrelanger Ferrari-Wasserträger von Michael Schumacher stand Massa stets im Schatten des Deutschen. 2008 war er als Sieger des Heimrennens in Brasilien für wenige Sekunden zwar Weltmeister, Lewis Hamilton schnappte ihm durch ein Überholmanöver in der vorletzten Kurve aber noch den Titel weg. 2009 wurde Massa in Ungarn von einer Stahlfeder am Kopf getroffen und schwer verletzt.

Trotzdem blieb Massa bis zum Vorjahr Ferrari-Pilot. Als man dort an seiner Stelle Kimi Räikkönen holte und der Brasilianer beim damals eher erfolglosen Williams-Team Unterschlupf fand, schienen die guten Tage des Gewinners von elf Formel-1-Rennen aber endgültig gezählt.

Mit dem Mercedes-Motor im Auto und neuem Sponsor (Martini) gelang dem börsennotierten Privat-Team aus Grove aber ein großer Wurf. Schon vor zwei Wochen in Kanada verhinderte nur ein Unfall einen Podestplatz für Massa. Mit dem Team, an dem der Österreicher Toto Wolff noch immer zehn Prozent hält und wo dessen Ehefrau Susie demnächst zwei Freitag-Tests fährt, hat auch Alexander Wurz immer noch eine enge Beraterbeziehung.

Mit sieben Fahrer- und neun Konstrukteurs-Titeln sowie 114 Grand-Prix-Siegen ist Williams F1 einer der erfolgreichsten Rennställe in der Formel 1. Doch die ganz guten Zeiten sind lange her. Der einzige GP-Sieg im vergangenen Jahrzehnt gelang Pastor Maldonado 2012 durch das "Wunder von Barcelona".

Zumindest am Samstag in Österreich herrschte bei Williams totale Euphorie. "Ich realisiere das Ganze noch nicht richtig. Das ist wirklich was ganz Tolles. Mercedes zu besiegen, das ist wirklich phänomenal", sagte Teamchefin Claire Williams. Sie hat als Tochter des querschnittgelähmten Teamgründers Frank Williams weitgehend dessen Aufgaben übernommen.

Massa gelang im aktuellen FW36 jedenfalls die 16. Pole. Es war seine erste seit jenem denkwürdigen Brasilien-Rennen im Jahr 2008 bzw. nun 94 Rennen. Nach 26 Poles in Folge für Red Bull (11) oder Mercedes (15) steht damit am Sonntag in Spielberg erstmals seit dem Finale in Brasilien 2012 (Lewis Hamilton für McLaren) nicht ein Red Bull oder Mercedes in der Startaufstellung ganz vorne. "Ich fühle mich jetzt schon wie ein Sieger", sagte Massa mit Stolz und Recht.