Zwei Schauplätze, ein Mal im Osten Europas (Türkei), ein Mal im Westen (Spanien). Fast gleichzeitig müssen die Motorsportfans am Sonntag beide Daumen für ihre Favoriten drücken. Denn in den Königsklassen des Rennsports sind gleich beide WM-Kronen abholbereit. Ein Mal auf vier Rädern (Formel 1), ein Mal auf zwei (MotoGP). Ein Mal schon zum Frühschoppen um 11.10 Uhr (Formel-1-GP der Türkei, ORF 1 live), ein Mal nach dem Mittagessen um 14 Uhr (GP von Valencia, Servus TV live). Aber alles der Reihe nach ...

In der Formel 1 kann Lewis Hamilton aus eigener Kraft den siebenten WM-Titel gewinnen und damit den Rekord von Michael Schumacher einstellen. Dazu müsste er nur Istanbul mit einem Vorsprung von 78 Punkten verlassen. Neun der 13 bisherigen Rennen hat der Brite gewonnen. Dass er bereits in der Türkei den Titel gewinnt, wäre keine allzu große Überraschung. Zu sehr hinkt die Konkurrenz den schwarzen Silberpfeilen nach. Es wäre auch ganz im Sinne von Hamilton und Mercedes, bereits in der Türkei alles klarzumachen. Denn die Unsicherheit in der gesamten Sportwelt nimmt von Tag zu Tag zu. Die Türkei ist ohnehin erst nach der Corona-Pause als Ersatz in den Kalender gerutscht.

Und selbst der weitere Verlauf der WM ist nach dem zum Teil verheerenden „Comeback“ der Corona-Pandemie mehr als gefährdet. Nach der Türkei stehen noch drei Rennen auf dem Programm, alle außerhalb von Europa, alle in Arabien, zwei Mal Bahrain, ein Mal Abu Dhabi. Alles liegt in den Händen der Gesundheitsbehörden, aber es wird immer enger, einige Länder sind drauf und dran alles dichtzumachen. Und Covid macht vor der Formel 1 bestimmt nicht halt, zumal immer mehr Infizierte (zum Beispiel mehrere bei Williams) die Szene belasten.

Joan Mir ist die Überraschung

Während ein WM-Titel für Lewis Hamilton keine allzu große Überraschung darstellt, abgesehen davon, dass es überhaupt eine Formel-1-WM gegeben hat, ist die Situation in der MotoGP die Überraschung schlechthin. Denn seit dem Sturz von Marc Marquez war die Zweirad-Königsklasse heuer offen wie nie. Und noch bis vor einer Woche schaute es fast so aus, als könnte es heuer einen Weltmeister geben, der nicht einmal ein Rennen hat gewinnen können. Joan Mir gab aber beim ersten Valencia-Rennen am letzten Sonntag die Antwort. Der Spanier sorgte vor Teamkollege Alex Rins für einen Suzuki-Doppelsieg. Mir war damit schon der neunte Sieger in diesem Jahr, der fünfte Premierensieger.

Zwei Rennen vor Schluss führt Mir mit 37 Punkten Vorsprung auf Fabio Quartararo, der nach dem Aus von Marquez und der anfangs so guten Performance der Yamaha als Titelkandidat Nummer eins gehandelt wurde. Jetzt ist es Joan Mir, dem ein Platz auf dem Podium zum Titelgewinn reicht. Und da spricht nichts dagegen.

Denn Suzuki bietet eine unglaubliche Vorstellung. In dieser Qualität hat sich der kleinste japanische Hersteller noch nie präsentiert. Somit sollte auch Mir dem Druck standhalten, auch wenn es heuer mehr Drehungen und Wendungen gegeben hat.

Der Mallorquiner zeigte heuer eine erstaunliche Konstanz. So liegt der Druck wohl eher bei den Verfolgern von Mir. Dabei hatte es der 23-Jährige gar nicht leicht, aus den Startlöchern zu kommen. Denn 2014 wurde er beim Rookies-Cup noch Gesamtzweiter, dennoch wollte ihn zuerst kein Moto3-Team haben. Sein Eltern hatten kein Geld, am Ende konnte er 2015 im ärmsten Moto3-Team (CEV) fahren, mit einem Motorrad von 2012 – und dann hat er die ersten zwei Rennen gewonnen. 2017 gewann er den Titel, der Durchbruch war geglückt.