Neustart der Formel 1. Ausgerechnet in Österreich, auf dem Red-Bull-Ring. Gleich mit zwei Rennen. Was macht Österreich besser als der Rest der Welt?

HELMUT MARKO: Als klar war, dass Österreich das erste Rennen in diesem von Corona geprägten Jahr austragen könnte, wurden sofort Gespräche mit Liberty Media, dem Rechteinhaber der Formel 1, aufgenommen. Auch Dietrich Mateschitz gab sofort Grünes Licht. Ganz entscheidend war aber, dass wir der Bundesregierung erklärten, dass es keine Zuschauer geben und dass selbst der Formel-1-Tross um 50 Prozent reduziert wird, also 80 Leute pro Team. Wir mussten auch die Forderungen der Formel 1 und der FIA erfüllen, die zum Teil noch strenger sind, als die von der Bundesregierung. Da mussten wir gerade bei den geplanten Corona-Tests etwas nachbessern, um eine lückenlose Erfassung zu gewährleisten.

Im Klartext: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist keine leere Worthülse?

Ja, natürlich. Der gesamte Tross reist mehr oder weniger in sich geschlossen, viele Teams kommen aus England. Zeltweg ist zwar kein Schengen-Flughafen, aber im Grunde ändert sich da vieles zwar nicht stündlich, aber doch täglich. Die Teams sind isoliert, jedes wohnt in eigenen Hotels, niemand trifft abseits der Strecken andere, alles ist und bleibt separiert. Und ich kann nur sagen: Kontrolliert wird strengstens.

Die Formel 1 in der Blase also?

Ja, es wird jeder zweimal innerhalb der zwei Rennen getestet, das macht die Formel 1 selbst. Und ich kann nur sagen. Die Formel 1 fürchtet sich mehr als die Bevölkerung. Weil gerade Spielberg eine Musterveranstaltung für das restliche Jahr sein wird. Wenn da irgendetwas auftritt, ist der gesamte weitere Verlauf der Saison in Gefahr. die meisten Rennen werden ja in Europa stattfinden, in Übersee ist ja fast alles abgesagt, bis auf - und das ist nun wirklich kurios - Schanghai.

Sport ohne Fans ist irgendwie seelenlos, Fußball ganz im Speziellen. Fehlt da nicht der Formel 1 auch eine entsprechende Kulisse?

Eine Rennen ohne Fans ist besser als gar kein Rennen. Und mit Fußball kann man das nicht vergleichen. Ein Kicker wird durch seine Anhänger unglaublich motiviert. Die Holländer können am Ring noch so toben - dennoch wird der Max nicht schneller fahren. Erstens bekommt er nicht soviel mit, und er fährt sowieso am Limit.

Dabei ist die Buchungslage rund um Spielberg nicht schlecht?

Es kommt ja nicht nur die Formel 1. Es finden auch die Rahmenrennen statt, wie Formel 2, Formel 3, Porsche Cup. Zusammengezählt müssen da schon so um die 3000 Leute untergebracht werden.

Zu Red Bull Racing, dem in Spielberg dominierenden Hausherren...

... ja, wir haben in den letzten beiden Jahren mit Max gewonnen. Mercedes hat durch die Höhenlage mehr Leistung verloren als wir. Aber das ist Vergangenheit. Heute ist alles neu aufgestellt. Und wenn man die Barcelona-Ranglisten her nimmt, ist Mercedes vorne, wir knapp dahinter, gefolgt mit etwas Abstand von Ferrari. Aber alle, auch wir, bringen Updates nach Spielberg.

Wie haben die Teams nach dem Corona-Stopp die Zeit eigentlich nützen können?

Nun, das verlief recht unterschiedlich. In Italien mussten ja alle relativ schnell in Quarantäne, in England erst später. Wir konnten die Zeit da recht gut nützen. Und seit der Öffnung fahren wir im Werk in Milton Keynes in einem Drei-Schicht-Betrieb, also praktisch rund um die Uhr. Für den Saisonstart ist Red Bull also bestens aufgestellt. Aber bisher beschränkte sich alles auf Simulation, CFD-Analysen und Windkanal. Jetzt kommt die Realität. Wir fuhren noch am Donnerstag während eines Filmtages in Silverstone. Da bekamen wir schon eine Idee, wie es laufen wird.

Apropos Tests. Mit den Renault-Tests auf dem Red-Bull-Ring vor wenigen Wochen hattet ihr ja keine Freude?

Das war wirklich nicht ganz glücklich vom neuen Management auf dem Ring. Viel bringen ja solche Tests mit einem 2018er-Auto nicht, die Fahrer können ihren Rost ablegen. Absolut keine Freude hätten wir gehabt, wenn Mercedes solche Tests erlaubt worden wären.

Eine Standortbestimmung hat noch keiner vornehmen können. Es ist ein ziemlich offenes Gebilde, die Formel-1-Saison 2020, oder?

Ja, sicher. Wir haben zwar Daten von Honda, eine gewisse Basis kennen wir schon. Aber nehmen wir es etwas humoristisch. Zu Jahresmitte ist Red Bull Racing normalerweise immer ganz groß aufgewacht. Nun jetzt fangen wir Mitte des Jahres an. Aber alles andere wird man in den ersten freien Trainings sehen, da wird sicher viel gefahren werden.

Gut, jetzt wird mit Eurer Sommerhochform das Jahr gestartet. Ihr habt heuer also eine ganz große WM-Chance. Vielleicht die beste der letzten Jahre?

Mercedes und Lewis wollen den siebenten Titel. Wir wollen Weltmeister werden, mit Max den jüngsten Titelträger haben. So haben wir beide einen internen Druck. Weil die Saison so kurz ist, auch wenn sie bis in den Dezember reicht, muss jeder immer am Drücker bleiben, nicht eine Sekunde darf man da nachlassen. Aber: wir haben sicher alle Schwächen abgebaut.

Eure Fahrer sind gebunden. Auf dem Markt gibt es einen Sebastian Vettel. War ein Comeback von Vettel bei Red Bull nie ein Thema?

Wir planen mit Verstappen und Albion. Das Wahrscheinlichste für Vettel wäre Mercedes, aber da läuft scheinbar auch nichts. Ich kann mir gut vorstellen, dass er ein Jahr pausiert und mit dem neuen Reglement zurückkommt. Denn da könnten auch Mittelfeldteam, wie McLaren oder Racing Point, plötzlich ganz vorne mitmischen.