Der begabteste, der beste, der schnellste Fahrer. Der Pilot ohne Schmerzen, der gnadenlos alle Attribute des Draufgängers vereint. Es hat eine Zeit gegeben, in der Valentino Rossi als unschlagbar galt. Und von 2001 bis 2005 den Weltmeistertitel einfuhr wie kein anderer. Er ist noch der Held, noch malen die Kids von Mailand bis Neapel die knallgelbe 46 auf ihre Vespas. Noch. Die gelbe 46 beansprucht Rossi seit Jahren für sich (wie sein Vater Graziano), er machte aus ihr ein Markenzeichen und verzichtete immer auf die "1" des Weltmeisters.

Ehrendoktor. Er machte sich selbst zum "Doctor". Einen Titel, den man in Italien bekommt, wenn man etwas ganz besonders gut kann. Der Titel "il dottore" wird Persönlichkeiten allein aus Respekt verliehen. Aus Arroganz verlieh Rossi sich die Ehrenbezeichnung selbst. Mittlerweile ist er ein echter Doktor: Urbino hat ihm den Titel eines Dr. h.c. für Kommunikation verliehen.

Probleme. Seit zwei Jahren aber sucht Herr Rossi das Glück vergeblich. Die Steuerfahndung hat ihn verfolgt, wegen einer Hinterziehung in Höhe von 53 Millionen Euro, 35 Millionen hat er gezahlt. Die Freundin hat ihn verlassen. Seinen Manager, der ihm den Finanzskandal beschert hat, schmiss Rossi raus. Und er zog mit eingezogenem Kopf zurück in seine Heimat nach Tavullia, ein 4000-Einwohner-Nest in der Nähe von Rimini.

Zu alt fürs Geschäft. Auch auf den Rennstrecken läuft es nicht mehr so. Zuerst wurde er von Nicky Hayden geschlagen, im Vorjahr von Casey Stoner. Einem jungen Pimpf aus Australien, der früher viel zu oft im Kiesbett gelandet war ("Rolling Stoner"). Rossi ist in den letzten Jahren wohl seiner Überheblichkeit zum Opfer gefallen: "Ich war etwas verwirrt." Lange Zeit kümmerte er sich nicht um technischen Nachteile, testete lieber den Formel-1-Ferrari als seine Yamaha. Mit dem Einzug der elektronischen Fahrhilfen sind die 230-PS-MotoGP-"Monster" aber für alle fahrbarer geworden.

"Altes Eisen". Mit 30 Jahren zählt Rossi zum "alten Eisen", ist der Viertälteste im Zirkus. Und bekam heuer einen Jungspund ins Fiat-Yamaha-Team gesetzt: Jorge Lorenzo, zweifacher Weltmeister in der Viertelliter-Klasse. Der Mallorquiner war bei den Tests Schnellster, stand in Katar auf der Pole-Position, 1,2 Sekunden vor Rossi, und wurde im Rennen Zweiter, hinter Stoner. Und Rossi, der als Einziger auf Bridgestone vertraut, nur Fünfter. Der "Doctor" scheint in der Krise.