Samuel Umtiti, beinharter Innenverteidiger der bärenstarken französischen Defensive und sogenannter Goldtorschütze der laufenden Weltfußballmodeschau, hat gegen Belgien nicht nur das Standardresultat (1:0) herbeigeführt, sondern auch den Dernier cri bestätigt: hochklassige Ereignislosigkeit, Tore gibt es nur nach Standardsituationen, oder: Wenn der Ball ruht, rollt der Rubel! Eckball ins vordere Halbfeld des kleinen Strafraums, Eisenhalbkopf hinhalten, die Kugel in die kurze Ecke abtropfen lassen, wumm! Basta!

Flacher Höhepunkt eines Spiels, das die Spieler im Anschluss bei den Interviews stereotyp „Arbeit“ nennen und sagen: „Wir haben unseren Job gemacht“ – bis irgendwann wie das Amen im Gebet, wieder der letzte Mensch, der kleine Lauser Griezmann hereinschneit und „Vive la Republique!“ jodelt.

Taktik ist nun einmal kein Spektakel, Verwaltung kein orgiastisches Fest, Qualitätssicherung kein Hollywood. Was unsereins früher „schönes Spiel“ genannt hat, bezeichnen die Experten heute als „wild“ und lassen keine Zweifel darüber aufkommen, dass das Wilde wie im Wilden Westen domestiziert, kanalisiert, parzelliert, feinjustiert und letztlich ausgerottet werden muss.

Das Interessanteste an diesem eher faden Goldtor war Umtitis anschließender Jubel: Er wackelte wie ein Roboter; er tanzte den Blechtrotteltanz. (In dieser Arbeits-WM sind mir vor Umtiti aus 61 Spielen bloß zwei neue Jubelposen in Erinnerung geblieben: Erstens der Verteidigungsjubel des Portugiesen Pepe, der eine Abwehr so bejubelte wie Stürmer ein Tor; zweitens die Geste des Russen Dsjuba, der mit der einen Hand salutierte und sich mit der anderen Hand den Schädel absäbelte …)

Umtitis Jubelpose jedenfalls ließ mich unwillkürlich daran denken, dass die Fußballcomputerspiele – und Spieler – in Spielsalons und Lunaparks immer authentischer, echter und realistischer aussehen; die echten Fußballer hingegen immer dramatischer wie Marionetten, wie programmierte Roboter, wie computeranimierte Menschenmaschinen, wie ferngesteuerte, virtuelle Muskelprotzwesen wirken, wenn auch aus Eisen und rostfreiem Stahl.

Umtiti, Varane, Kante, Pogba: Made by Voestalpine, alle Extras serienmäßig, zwei Jahre Werksgarantie. Dem allerdings widerspricht Umtitis Selbsteinschätzung: „Wir waren ganze Kerle am Platz.“ Aber als er „vor Stolz platzen“ wollte, platzte Griezmann herein, grinste Umtiti ins Abseits und brachte die frohe Standardbotschaft:
„Vive la Republique!“