Frankreichs Antoine Griezmann darf sich am Freitag auf keine bevorzugte Behandlung einstellen. Diego Godin und Jose Gimenez werden ihrem Clubkollegen bei Atletico Madrid im Viertelfinal-Duell der Fußball-WM wohl wenig Raum für Tricks lassen. Stehen bei Uruguay im Normalfall Luis Suarez und Edinson Cavani im Rampenlicht, trägt vor allem die Defensive der Südamerikaner zu deren Höhenflug bei.

Die Statistik von nur einem Gegentor in bisher vier Turnierauftritten in Russland verdeutlicht, dass Uruguay nicht nur an vorderster Front Weltklasse aufzubieten hat. Architekt des himmelblauen Abwehrbollwerks ist Godin. Der 32-Jährige bringt nicht nur seine Erfahrung von 121 Länderspielen ein, sondern ist als Kapitän der Auswahl auch Sprachrohr. Sein Status in der Mannschaft ist unumstritten.

"Es ist schwer, eine Person auf eine einzige Qualität zu reduzieren. Aber bei Godin ist es seine mentale Stärke im Fußball", sagt Teamchef Oscar Tabarez über den Haudegen. "Er hat das Kapitänsamt für seine Hingabe und sein Vorbild verdient. Und auf gewisse Weise repräsentiert er das Beste einer Nation wie Uruguay."

Seit 2005 spielt der in der Kleinstadt Rosario im Süden des Landes geborene Godin für die Nationalelf. Sein Spielstil ist kein spektakulärer, Godin ist auch kein Muskelpaket, wie sein Spitzname "El Flaco" (Der Dürre) verrät. Stürmer haben dennoch kein leichtes Leben gegen ihn. In der Luft ist der Mann mit der Nummer 3 dank gutem Timing eine Macht, am Boden sind sein Tacklings hart. Uruguays legendären Kampfgeist - der "Garra charrua" - wird in Godin sichtbar.

Ein Fan ist auch Diego Maradona, der Godin gar über Spaniens Sergio Ramos stellte. "Wie er mit dem Ball spielt, sein Stärke, und wie er das Spiel von seiner Position aus dirigiert - das ist ein richtiger Crack", urteilte Argentiniens Legende über den Uruguayer.

Es mag damit zusammenhängen, dass Godin weiß, wie Offensive denken. Als er ein Teenager war, agierte er im Nachwuchs des Traditionsclubs Defensor aus der Hauptstadt Montevideo noch als Stürmer oder Spielmacher. Mit 17 Jahren wurde er aber als zu schwach aussortiert, Godin kehrte gescheitert in seine Heimat zurück. Es erfolgte ein weiterer Anlauf beim kleineren Club Cerro, bei dem Godin zum Innenverteidiger umgeschult wurde. "Sie haben mich für ein Spiel zurückbeordert und ich bin geblieben. Am Anfang mochte ich es nicht, aber dann bin ich auf den Geschmack gekommen. Es hilft, wenn man wie ein Stürmer denkt", berichtete Godin über seine Verwandlung.

2007 wechselte er mit 21 Jahren nach Spanien zu Villarreal. Drei Jahre später erreichte Godin mit Uruguay das WM-Halbfinale in Südafrika, nach dem Turnier folgte der Transfer zu Atletico Madrid. Den Hauptstädtern blieb er bis heute treu, holte mit dem Verein 2014 den Meistertitel und zweimal die Europa League. Einzig in der Champions League blieb der Triumph bei zwei Finalduellen mit dem Stadtrivalen Real aus. Im Endspiel 2014 (1:4 n.V.) lag Atletico nach einem Godin-Tor bis zur 93. Minute auf Siegeskurs, ehe sich Real noch in die Verlängerung rettete.

Der um fast zehn Jahre jüngere Gimenez (23) spielt seit fünf Jahren an seiner Seite. Dem Landsmann half Godin nach dessen Sprung nach Europa. Auch Griezmann vertraute vor seinem Wechsel nach Madrid auf Godins Ratschlag. Inzwischen sei der Südamerikaner ein mehr als guter Freund, berichtete der Franzose vor dem Duell in Nischni Nowgorod. "Ich bin jeden Tag mit ihm zusammen, auf und neben dem Platz", erzählte Griezmann. Godin ist auch der Patenonkel seiner jüngsten Tochter. Die Freundschaft muss in Russland nun für eine Partie ruhen.