Ein Bankett in Grosny mit Tschetscheniens autoritärem Republikchef Ramsan Kadyrow könnte für Mohamed Salah angeblich zu viel gewesen sein. Aus Ärger über eine mutmaßliche politische Instrumentalisierung seiner Person soll Ägyptens Stürmerstar Medienberichten zufolge über seinen Abschied aus der Nationalmannschaft nachdenken.

Kurz vor dem letzten WM-Gruppenspiel am (heutigen) Montag (16.00 Uhr MESZ) gegen Saudi-Arabien und kurz nachdem der siebenmalige Afrika-Cup-Sieger seine Zelte in Grosny endgültig abgebrochen hatte, berichtete zunächst der US-Sender CNN unter Bezug auf eine namentlich nicht genannte Quelle von der hochbrisanten Personalie.

Bericht ist zu hinterfragen

Der Ägyptische Fußballverband wies dies umgehend zurück. "Man muss CNN nach der Quelle dieser Meldung fragen, die bar jeder Wahrheit ist. Salah trainiert mit uns ganz normal, er isst mit uns und er tauscht sich mit allen freundschaftlich aus wie jede normale Person im Trainingslager", teilte Teammanager Ihab Lahita mit. "Er ist bereit, das Spiel gegen Saudi-Arabien gut und mit hoher Entschlossenheit anzugehen."

Ägypten hatte als einziger WM-Teilnehmer sein Teamquartier im früheren Kriegsgebiet im Nordkaukasus bezogen. Kadyrow ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und mehrere Male medienwirksam mit Salah ablichten. Bei einem Festessen am Freitagabend ernannte ihn der Republikchef auch zum Ehrenbürger.

Der starke Mann in Tschetschenien wollte, so wie sich Kremlchef Wladimir Putin im Glanz der WM sonnt, den schlechten Ruf seiner Herrschaft mit guter Fußball-Stimmung aufpolieren. Seit dem tödlichen Anschlag auf seinen Vater Achmat 2004 hält Ramsan Kadyrow die Zügel in Tschetschenien in der Hand. Kritiker werfen ihm vor, seine Macht auf Angst und Gewalt zu stützen. Menschenrechtler bringen ihn mit Mord, Folter und Entführungen in Verbindung.

Heben der Moral

Für Ägyptens Nationalheld Salah, der sein Land erstmals seit 1990 wieder zu einer WM gebracht hatte, ist der Versuch politischer Vereinnahmung nichts Neues. Die staatliche Propaganda in Kairo will sich an dem Liverpool-Angreifer bedienen, um die Moral der Ägypter inmitten wirtschaftlicher Turbulenzen zu heben. Nicht zuletzt ist Salah einer der Wenigen, der das Land inmitten von Apparatschiks und Islamisten, Muslimen und Christen, Teenagern und Greisen eint.

Für Salah könnte nun die Instrumentalisierung in Grosny unter Umständen zu viel gewesen sein. Der 26-Jährige fühle sich durch die Ereignisse in Tschetschenien bloßgestellt, behauptete die Quelle von CNN. Denn Salah wolle nicht in politische Belange hineingezogen werden. "Wir waren von Salah immer informiert, wenn er Entscheidungen trifft", hieß es vonseiten des Verbandes.

Der Zeitpunkt der Spekulation über Salahs Zukunft ist interessant. Die bereits ausgeschiedenen Ägypter bestreiten ihr letztes WM-Gruppenspiel gegen das ebenfalls chancenlose Saudi-Arabien in Wolgograd. Nach dem Duell am Montag geht es direkt weiter nach Kairo, wie der Verband schon im Voraus klargestellt hatte. Einen Grund nach Grosny zurückzukehren, gibt es ohnehin nicht mehr.