Wie gut ist Österreichs Fußballteam wirklich? Die erste plausible Teil-Antwort auf diese Frage wird wohl erst beim Ernstfall, also dem EM-Auftakt am 13. Juni gegen Nordmazedonien, erfolgen können. Aber das Match gegen England lieferte zumindest einige sachdienliche Hinweise auf die Spielstärke der Österreicher.

Die Art und Weise, in der die heimische Nationalmannschaft der Auswahl um Topstar Harry Kane Paroli bot, rang immerhin dem englischen Teamchef Gareth Southgate Anerkennung ab, wie Franco Foda zu berichten wusste. "Nach dem Spiel ist der englische Trainer zu mir gekommen und hat gesagt, dass wir vor allem in der zweiten Halbzeit sehr gut gespielt hätte, und das sagt schon einiges aus", erzählte der ÖFB-Teamchef. Das Lob von höchster kompetenter Stelle musste Balsam gewesen sein für die Seele des Nationaltrainers.  

Der Feinschliff folgt

Er durfte nämlich mitverfolgen, wie das Team im Verlauf der Partie quasi mit der Aufgabe gewachsen ist. "Je länger das Spiel gedauert hat, haben wir auch mehr unser eigenes Spiel aufgezogen. In der zweiten Halbzeit war ich sehr zufrieden damit, wie sich die Mannschaft präsentiert hat." Foda konstatierte Verbesserungen im Anlaufverhalten und sah, wie sich seine Burschen Chancen erspielten. An der Verwertung selbiger muss jedoch noch gearbeitet werden. "Der Feinschliff folgt  in der nächsten Woche", sprach der Teamchef wohl auch vor allem den entscheidenden Aspekt des Toreschießens an. 

Der im Prozess der Wiedereingliederung befindliche Julian Baumgartlinger sprach von einer "sehr intensiven" Partie mit "vielen guten Phasen", aber auch Abschnitten, in denen die Mannschaft "den Faden verloren" hätte. Das gehöre aber zum Entwicklungsprozess. "Und teilweise hatten wir mehr vom Spiel." Auch der Verweis auf die zurückgewonnene Stabilität in der Abwehr blieb nicht aus. "Wir haben die Standards hervorragend verteidigt. England gehört auf diesem Gebiet sicher zu den gefährlichsten Teams."

Im Gegensatz zur Vorbereitung auf die Euro 2016 mit u. a. einem verkorksten Auftritt gegen Malta sei das Spiel gegen ein Topteam wie England jedenfalls ein "Super-Test" gewesen. "Der Aufbau kann sehr gut für uns sein", zieht Baumgartlinger einen direkten Vergleich. Zudem bleibt festzuhalten, dass die Auswechslungen keinen Leistungsabfall mit sich brachten, eher das Gegenteil war der Fall. "Wir sind variabler geworden."

Positive Energie

Das färbt offenbar auch auf die Stimmung ab. Der Einwurf von Marc Janko, diese sei schlecht, wurde laut Sportchef Peter Schöttel intern als abgehakt erklärt. "Wir versuchen, alles in positive Bahnen zu lenken", sagt Baumgartlinger und verweist auf die emotionale Ebene. "Wir sind heute erstmals mit dem gebrandeten Teambus gefahren. Das hat uns das Gefühl vermittelt, dass es jetzt so richtig losgeht."

Und dann gibt es auch noch die berühmte "Was-wäre-wenn"-Hypothese, die in den vorliegenden Fällen ihre volle Berechtigung hat. Bei der freundschaftlichen Begegnung in Middlesbrough war der Video Assistant Referee außer Betrieb, aber beide strittigen Szenen wären bei der Europameisterschaft eine klare Angelegenheit für den VAR. Schon in Minute 6 wurde Sasa Kalajdzic von Tyrone Mings im Strafraum so rüde niedergestreckt, dass auch in den englischen Medien das Staunen zum Ausdruck gebracht wurde, dass es weder Elfer für Österreich noch Rot gegeben hatte. Bei der Euro mit dem VAR könne sich derlei kein Team erlauben, lautete der Tenor. Und vor dem Tor der Engländer wurde ebenfalls Kalajdzic vom Gegenspieler getroffen, und nicht der Ball. Hier hätte der Videoreferee ebenfalls eingegriffen. So etwas kann bei der EM jedenfalls nicht passieren.