Wie war das Gefühl in dem Moment, als sie wussten, wir sind qualifiziert, was ging Ihnen durch den Kopf?

Franco Foda: Es war ein erlösendes und wunderschönes Gefühl, da wir unseren Traum und unser Ziel, die Europameisterschaft 2020, erreicht haben. Dann fällt schon etwas Ballast ab. Obwohl wir keinen guten Start hatten habe ich gegen Polen und Israel auch viele positive Dinge gesehen. Du bist Nationaltrainer und das ganze Land hofft bzw. erwartet, dass du dich für eine EM qualifizierst. Aber wenn man die letzten 100 Jahre Revue passieren lässt, ist das nicht alltäglich, da man sich erst das zweite Mal aus eigener Kraft qualifiziert hat. Die Erwartungshaltung in Österreich ist generell hoch, und man will als Nationaltrainer möglichst alle zufriedenstellen. 

Das galt auch für das Spiel gegen Nordmazedonien. Die Qualifikation galt da ja eigentlich schon vorher als gesichert?

Diese Spiels sind die schwierigsten. Die Öffentlichkeit hat geglaubt, dass wir schon für die EM qualifiziert sind, und war nur noch mit der Auslosung beschäftigt. Aber Nordmazedonien ist vor allem auswärts immer stark aufgetreten. Wir haben sie jedoch von der ersten Minute an beherrscht und waren sehr konzentriert. Deshalb waren die Freude und die Erleichterung nach dem Schlusspfiff sehr groß. Das Vertrauen in die Mannschaft hat sich bestätigt. Wenn du selbst aktiv warst, weißt du, wie die Spieler funktionieren. Daher habe ich ihnen gesagt, sie sollen sich nicht von außen beeinflussen lassen. 

Das heißt, Sie haben den Spielern konkret erklärt, passt auf, alle glauben, wir haben uns schon qualifiziert, lasst solche Gedanken aus dem Spiel?

Wir haben das konkret angesprochen und wollten uns nur auf das Spiel gegen Nordmazedonien fokussieren. Nach den beiden Niederlagen zum Auftakt habe ich den Jungs vermittelt, dass sie sich durch nichts von außen beeinflussen lassen sollen. Denn das Entscheidende ist, was der Trainer sagt. Ich glaube, es war damals wichtig für den Turnaround, dass wir ruhig geblieben sind, und dass wir weiter Vertrauen in die Mannschaft gehabt haben. 

Und jetzt haben Sie dafür gesorgt, dass die Konzentration auf das entscheidende Spiel erhalten bleibt?

Ja, denn auch im Erfolg muss man bodenständig und demütig bleiben. Den Erfolg musst du auch aushalten können. Ich habe der Mannschaft in der Vorbereitung gesagt, dass wir noch nichts erreicht haben und noch nicht qualifiziert sind. Ich habe aber nie davon geredet, dass wir nur noch einen Punkt benötigen, sondern dass wir dieses Spiel vor eigenem Publikum unbedingt gewinnen wollen.

Auf Sieg zu spielen, war die Mannschaft ja schon gewohnt?

Wir haben uns das hart erarbeitet. Wir standen pausenlos mit dem Rücken zur Wand. Alle Spiele hatten Finalcharakter, das haben wir dann auch in der Videoanalyse so aufgebaut. Deshalb muss ich den Spielern ein großes Kompliment aussprechen. Was sie geleistet haben, war außergewöhnlich. Sie haben auch in diesen Drucksituationen guten Fußball gespielt. 

Die Mannschaft wirkte nie mehr verkrampft?

Gerade in solch angespannten Situationen geht oft die spielerische Qualität verloren. Aber bei uns war das Gegenteil der Fall. Wir haben überzeugend und mutig gespielt. Wenn wir nur an die Chancen denken, die wir uns erarbeitet haben. Das einzige, was man kritisieren kann, ist die Chancenverwertung.

Es gab ja nach den ersten zwei Spielen zum Teil sehr heftige Kritik. Glauben Sie, dass dies auch nützlich war, vielleicht auch, weil man sich dann besonders herausgefordert fühlt?

Nein, ich glaube, Kritik hilft nie. Die Spieler waren ja ohnehin sehr selbstkritisch. Für mich war es nach dem Spiel in Israel wichtig, Einzelgespräche zu führen. Ich bin zu den Spielern hingeflogen, ich wollte mir deren Sichtweise anhören, ein Feedback bekommen. Wir haben es komplett analysiert.

Haben Sie auch Selbstkritik geübt?

Ich bin jemand, der versucht, in erster Linie sich selbst zu hinterfragen, dann mache ich mir erst Gedanken, ob die Spieler auch Fehler gemacht haben. Aber wir waren gegen Polen die bessere Mannschaft, das hat auch der Trainer von Nordmazedonien so gesehen. Er hat alle Spiele von uns analysiert und öffentlich gesagt, dass wir auch in Israel die bessere Mannschaft waren. Aber es gibt eben Spiele, wo der Gegner vier Tore aus fünf Schüssen erzielt. Wir hätten gegen Israel 4:1 führen müssen, haben aber 2:4 verloren, weil Israel sehr effizient war. Letztlich hat uns in diesem Spiel etwas gefehlt. Das haben wir analysiert und dort den Hebel angesetzt.

Sie glauben also, die Kritik von damals war überzogen?

Teilweise schon. Aber Kritik gehört halt zum Fußball dazu. Die Spieler sind in der deutschen Bundesliga tagtäglich damit konfrontiert. Ich habe gesagt, die Kritik ist normal, wir dürfen sie aber auch nicht überbewerten. Entscheidend ist, dass wir kritisch damit umgegangen sind. Wir haben alles knallhart und detailliert aufgearbeitet, auch die positiven Elemente. Das Gleiche gilt aber auch im Erfolg. Gegen Nordmazedonien hätten wir zur Halbzeit 3:0, 4:0 führen müssen. Aber es gab auch hier Situationen, die mich nicht zufriedengestellt haben, wo wir zu passiv waren. Das muss man auch analysieren. Das sind wichtige Prozesse im Fußball.

Trifft Sie Kritik auf der persönlichen Ebene?

Nein. Mich trifft es nicht, weil ich jemand bin, der sich selbst immer reflektiert, der gegen sich selbst brutal kritisch ist. Auch wenn Spiele gewonnen worden sind. Klar ist es besser, wenn positiv berichtet wird. Aber wichtig ist, dass man Kritik richtig einordnet und nicht alles an sich heranlässt. Es gibt einfach unterschiedliche Sichtweisen. Nur muss Kritik sachlich fundiert bleiben, es darf nicht ins Persönliche abgleiten. Was Marcel Koller am Ende widerfahren ist, das hatte nichts mit sachlicher Kritik zu tun.

Aber Wortmeldungen kommen regelmäßig von allen Seiten, wie gehen Sie damit um?

Ich würde mir zum Beispiel nie ein Urteil über andere Kollegen anmaßen. Es glaubt ja fast ein jeder, er muss seinen Senf dazugeben, dazu gehören auch Ex-Spieler und Experten, wo ich dann oft das nicht mehr nachvollziehen kann.

Welche Ereignisse im Verlauf dieser EM-Qualifikation, die bewirkt haben könnten, dass die Mannschaft dann so in Schwung gekommen ist, fallen ihnen noch spontan ein? War es eine kontinuierliche Entwicklung?

Ich glaube, die Gespräche, die Selbstreflexion, das war extrem wichtig. Wir haben dann auch in der Vorbereitung ein paar Kleinigkeiten verändert. Aber wir sind unserem Konzept treu geblieben. Wichtig waren die Spiele im Juni gegen Slowenien und in Nordmazedonien. Der zweite bedeutsame Punkt war der, dass es uns gelungen ist, die Ausfälle zu kompensieren. Egal, wer gerade nicht gespielt hat, wir konnten trotzdem die Qualität auf dem Platz beibehalten. Das hat der Mannschaft besonderes Selbstvertrauen gegeben und war für die Entwicklung wichtig. Jeder hat mit einer Überzeugung gespielt. Jeder hat an die Spielidee geglaubt, weil er gesehen hat, dass man damit Spiele gewinnt. Das ist der wichtigste Faktor. Und es hat sich eine Hierarchie gebildet, das war ja nach den vielen Rücktritten nicht so einfach. Denn es gab einen Umbruch, viele erfahrene Spieler haben das Nationalteam verlassen.

Wie blicken Sie auf den Fall Martin Hinteregger zurück?

Daran hat man gemerkt, wie sehr die Mannschaft gewachsen ist. Da gab es ja auch so Super-Experten-Kommentare, wir hätten gelogen, das ist kompletter Blödsinn. Wir haben auch diese Situation in Ruhe abgehandelt. Da hat auch der Spielerrat eine ganz wichtige Rolle gespielt. Da hast du schon gemerkt, wie die Mannschaft intern funktioniert. Er hat sich entschuldigt, wir haben interne Gespräche geführt. Er hat eine Sanktion erhalten, aber er ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil. Und man muss auch den Menschen sehen.

War man bemüht, dass die Angelegenheit nicht nach außen dringt?

Nein, das war klar, dass das nicht möglich ist. Aufgrund der Kurzfristigkeit vor dem Spiel gegen Polen war es aber wichtig, nicht aus der Emotionalität heraus zu entscheiden. So haben wir das in Ruhe abgearbeitet. Die Entscheidung, ihn für ein Spiel pausieren zu lassen, habe ich dann allein getroffen.

Blicken wir in die Zukunft: Wo steht das österreichische Nationalteam, wie ist Österreich im Hinblick auf die Europameisterschaft einzuordnen?

Es gibt Topnationen wie Deutschland, Spanien, England, Italien, Kroatien und Belgien, die über Jahre gewachsen sind, und bei jedem großen Turnier um den Titel mitspielen. Das ist schon eine hohe Kategorie. Wenn bei uns alle Spieler gesund und topfit sind und einen guten Spielrhythmus haben, dann können wir jedem Gegner wehtun. Aber bei einer Europameisterschaft sind nur absolute Topteams dabei, da darfst du dir in diesen Spielen keine Fehler erlauben.

Was darf sich Österreich nun von seiner Fußball-Nationalmannschaft erwarten?

Für uns gilt es jetzt, da wir uns qualifiziert haben, neue Ziele zu definieren. Wir wollen erstmals ein Spiel bei einer EM gewinnen, das war ja bisher nicht der Fall. Man muss die Situation aber realistisch einschätzen. Bei einer EM ist in beide Richtungen alles möglich. Oft gibt es in Österreich nur schwarz oder weiß. Jetzt ist die Erwartungshaltung überschwänglich, aber wir gehören nicht zu den vorhin genannten Nationen. Trotz allem gehen wir positiv an die Sache heran. Aber man darf halt nicht allzu traurig sein, wenn man die Gruppenphase nicht überstehen sollte. Ich erinnere an die EM 2016. Wenn Alessandro Schöpf gegen Island das 2:1 macht, gewinnst du das Spiel und kommst vielleicht weiter. Nach dem Ausscheiden habe ich gedacht, die Welt geht unter.

Der Österreicher erwartet sich wohl immer zu viel.

Man darf nicht vergessen, dass man bei einem Großereignis ist. Wenn man schaut, wer sich für die EURO 2020 qualifiziert hat, dann sind es fast nur Topnationen. Dann gibt es noch Finnland und Österreich. Für uns ist es eine Riesengeschichte, dass wir überhaupt dabei sind, das muss man einmal richtig einschätzen, dass es etwas Besonderes ist, dass wir bei einer Europameisterschaft dabei sind.

Aber bezogen auf die von Ihnen angesprochenen neuen Ziele wäre es wohl ein Traum, bei dieser Europameisterschaft weiter zu kommen?

Logisch. Doch man muss sich nur die Qualifikation anschauen, da gibt es keine leichten Gruppen mehr. Wie schwer hat sich Portugal gegen Luxemburg getan oder Frankreich gegen Moldawien? Das ist die Realität im internationalen Fußball und das dürfen wir nicht vergessen. Und wie wir da im Vergleich souverän gespielt haben nach den zwei Niederlagen, das sollte einmal positiv hervorgehoben werden. Aber es gibt keine einfachen Spiele mehr.

Wo wird das Team sein Euro-Hauptquartier aufschlagen?

Ziel ist es, das Basecamp in Österreich einzurichten, weil wir die Fans mitnehmen wollen. Und wir werden uns auch nicht komplett abschotten, davon halte ich nicht so viel. 

Ihr Vertrag läuft bis zum Ende der Euro. Wie beurteilen Sie diese Situation?

Ich sehe das entspannt. Es gibt keinen Druck, wir werden uns irgendwann in der nächsten Zeit zusammensetzen.