Mit einem 2:2 gegen Tirol ist die Siegesserie des WAC zuletzt gerissen. Ist ein Unentschieden schon zu wenig?
MICHAEL LIENDL: Der Anspruch hat sich mittlerweile verändert. Wir brauchen aber nicht glauben, dass wir jede Partie 4:0, 5:0 gewinnen. Das wäre vermessen. Aber es ist schon bitter, wenn du ein Spiel nicht gewinnst, in dem du total überlegen warst.

Welche Erwartungen hatten Sie bei Ihrer Rückkehr zum WAC 2018 und inwieweit deckt sich das mit dem tatsächlichen Geschehen seit diesem Zeitpunkt? Wie würden Sie den Ablauf einordnen?
Grundsätzlich deckt es sich natürlich nicht. Man hat nicht erwarten können, dass wir Dritter werden, in der Europa League spielen, in Gladbach gewinnen und in der Liga wieder vorn dabei sind. Es gab schon den Gedanken, das Obere Play-off zu erreichen und zu schauen, was möglich ist. Aber dass es sich so entwickelt für die Mannschaft und für mich persönlich, war schon überraschend.

Was ist das Besondere am WAC, was ist in den vergangenen Jahren im Verein vor sich gegangen?
Familiär war der Verein immer schon. Jeder versteht sich mit jedem, es gibt nicht 100 Angestellte. Es hat sich dahingehend nicht viel verändert. Was sich allerdings verändert hat, ist die Qualität der Mannschaft. Das ist Fakt. Wir haben ein Team, das mittlerweile zu den Besseren in der Liga gehört. Das bestätigen wir Woche für Woche.

Hätten Sie es für möglich gehalten, dass es nach der Saison mit Trainer Christian Ilzer noch eine Steigerung geben könnte?
Wenn man sich anschaut, wie wir letztes Jahr gespielt haben, ist es schon schwer, das zu bestätigen. Aber die Erwartungshaltung ist gestiegen. Das ist ein normaler Prozess, wenn du erfolgreich bist. Die Steigerung an sich ist nicht so überraschend, aber in dieser Form war es auch nicht vorauszusehen.

Ist die Weiterentwicklung unter Gerhard Struber auf den Salzburger Einfluss zurückzuführen?
Von allem etwas. Wir haben einen neuen Trainer, der ein bisschen was verändert hat. Wir sind in der Defensive richtig stabil geworden, kriegen sehr wenige Gegentore im Gegensatz zur letzten Saison. Wir sind in der Breite besser geworden.

Wenn Sie Ihre erste Zeit mit dem WAC mit jener von heute vergleichen, wie würden Sie die Entwicklung charakterisieren? Damals, 2012/13, konnte der Klub überraschen, mit Siegen über die Austria und Rapid …
Gegen Rapid eigentlich immer.

Aber damals haben diese Gegner eigentlich die dominante Rolle gespielt. Jetzt scheint sich das Blatt gewendet zu haben.
Ja, schon, auf alle Fälle. Ich glaube, dass wir ein Selbstverständnis entwickelt haben, dass wir das Spiel machen und auch gewinnen wollen. Das war damals noch anders, da mussten wir schauen, in der Liga zu bleiben. Jetzt aber hat sich die Qualität gesteigert. Mittlerweile dominieren wir die Spiele.

Haben Sie eine Vorstellung davon, was möglich ist?
Es ändert sich nicht großartig. Wir müssen schauen, dass wir ins Meister-Play-off kommen und dort wollen wir nicht nur Gast sein, sondern mitspielen und unseren Stil so durchziehen, dass wir erfolgreich sind.

Was hat sich nach dem Sensationsmatch mit dem 4:0 in Mönchengladbach in den vergangenen Tagen abgespielt?
Ich glaube, dass sich die Wahrnehmung schon noch etwas verändert hat. Ich glaube, dass wir noch ein bisschen ernster genommen werden. Uns ist bewusst, dass wir Geschichte geschrieben haben.

Was ist nun möglich gegen Roma und in der Europa League? Nach diesem Auftakt ist ja auch ein Weiterkommen zumindest nicht auszuschließen?
Auf alle Fälle, wir haben das Selbstvertrauen dazu. Aber wir sind nach wie vor überall Außenseiter. Roma hat Qualität, da spielen ein Dzeko, ein Kluivert, ein Mkhitaryan (fällt am Donnerstag verletzt aus, Anm. d. Red.). Doch warum sollen wir nicht gegen Roma punkten? Überraschen kann man sie hundertprozentig.

Also konzentriert ihr euch auf euer Spiel?
Ja, wir wollen nicht viel verändern, wir wollen unser Spiel so durchbringen wie in Gladbach.

Sie spielen in Ihrer Heimatstadt Graz. Wie sehr ist es zu bedauern, dass die Partie nicht in Kärnten über die Bühne gehen kann?
Das bedauert man sehr. Dass ein Kärntner Verein international nicht in Kärnten spielen kann, ist schon sehr bitter. Wir hätten in Klagenfurt im schönsten Stadion Österreichs gespielt. Aber es ist schon ein Stück weit ein Heimspiel.