Ist die jetzige Phase die schwierigste in Ihrer Amtszeit?
CHRISTIAN JAUK: In die jetzige dramatische Situation sind wir unverschuldet geraten. Im Gegensatz zum Konkurs 2007, den ich maßgeblich sanieren durfte, macht diesmal die Abhängigkeit von Entscheidungen der Politik den großen Unterschied aus. Der starke Staat ist zurück, sogar der Torjubel wird vorgeschrieben. Das engt den eigenen Spielraum massiv ein. So gesehen ist es wohl die schwierigste Phase.

Wie schlimm steht es um die Bundesliga?
Ohne Fußball zu spielen, fehlt die Existenzgrundlage. Keine Spiele, keine Einnahmen. Das übersteht jeder Verein und jede Liga nur eine kurze Zeit.

Wie real war die Vermutung, dass nur Salzburg, LASK und der SK Sturm überleben, wenn es mit der Bundesliga nicht weitergeht?
Wir wären einer der wenigen Vereine gewesen, die einen Abbruch dieser Saison, dank der Sponsoren, der Fans und der Stadt überlebt hätten. Die solide wirtschaftliche Gebarung der letzten Jahre, die uns von manchen durchaus kritisch vorgehalten wurde, hat uns uns diesen Spielraum ermöglicht. Der Verlust wäre auch bei Geisterspielen dennoch siebenstellig.

In dieser Woche fällt wohl die Entscheidung, wie es mit der heurigen Bundesliga-Saison weitergeht. Was wäre ihr Wunsch?
Eine klare Anweisung, wie wir starten können und dass es Ende Mai/Anfang Juni wieder mit der Liga weitergeht.

WAC-Präsident Dietmar Riegler betont, wie sehr der Bundesliga ein Leithammel wie der verstorbene Ex-Präsident Hans Rinner fehlt. Inwiefern teilen Sie diese Sichtweise?
Hans war als Liga-Chef eine starke Persönlichkeit, die wir vermissen. Seine damalige Funktion existiert heute nicht mehr, weil im Zuge der Reform die Agenden auf den Vorstand der Liga übergegangen sind. Gleichzeitig fordert diese Phase die Eigeninteressen der Vereine besonders heraus.

Sehen Sie die Umstellung der Bundesliga-Struktur nach Hans Rinner im Nachhinein als einen Fehler und bereuen Sie es, damals nicht mehr Verantwortung im Aufsichtsrat übernommen zu haben?
Mein Interesse ist und bleibt Sturm, das füllt mich aus. Unabhängig davon habe ich die Liga unterstützt. Aber ja, ich glaube, wir sollten die neue Struktur zum gegebenen Zeitpunkt hinterfragen.

Ist die Gefahr nicht riesig, dass die Schere zwischen Groß und Klein noch weiter aufgeht?
Die internationale Fehlentwicklung mit finanziellen Exzessen offenbart sich. Dafür gibt es wenig Verständnis in der Bevölkerung, obwohl der österreichische Fußball kaum daran teilgenommen hat. Im Gegenteil, mit wenig Mitteln wird eine großartige Nachwuchsarbeit geleistet. Die Chance für den Fußball, zu den Tugenden zurückzukehren, ist groß. Ich glaube an das Comeback der heimischen Liga. Fußball ist für mich nicht virtuell, sondern Begegnung. Wenn die Schere nicht kleiner wird, riskiert der Fußball, seine soziale und integrative Wirkung zu verlieren.

Welche Auswirkungen hätte ein Saisonabbruch für den SK Sturm?
Diese Frage lässt sich aus der Perspektive eines einzelnen Vereines nicht isoliert beantworten, obwohl wir diesen Versuch gewagt haben. Aber auch das Publikum bräuchte endlich eine Lobby. Die fehlt mir im Sport, genauso wie in der Kultur. Gerade als Freiluftsport würden sich innovative Lösungen anbieten.

Welche wären das?
Mit dem nötigen Abstand, einem gesunden Ausmaß an Personen und kreativer Schutzmaßnahmen halte ich Fußballspiele mit einer gewissen Anzahl an Zuschauern durchaus für möglich.

Wird sich an der grundsätzlichen Ausrichtung des SK Sturm etwas ändern?
Als unabhängiger Mitgliederverein sind wir in der Investorenwelt des Fußballs so etwas wie eine Antithese, die stolz macht. Dennoch, wir müssen wieder stärker auf die Menschen zugehen, daher die Aktion „Sturm hilft“. Ich wünsche mir, dem eigenen Nachwuchs mehr Chancen zu geben. Dafür bedarf es der Unterstützung vieler. Die Vertragsverlängerungen dieser Tage stimmen uns zuversichtlich.

Es scheint, als bräuchte es beim SK Sturm immer eine Krise, um auf den Nachwuchs zu setzen.
Das trifft nicht nur auf den SK Sturm im Besonderen zu. Der heutige Fußball ruft immer nach dem schnellen Erfolg. Auf die Jugend zu setzen, heißt immer die Geduld zur Entwicklung zu haben. Da gilt es den Spagat zu schaffen.

Der SK Sturm will ein unabhängiger Mitgliederverein sein und auf den Nachwuchs setzen. Gleichzeitig will der Klub aber ein österreichischer Topklub sein. Lässt sich das vereinbaren?
Das ist eine große Herausforderung. Es gibt Vereine mit höheren Etats, die öfters hinter uns gelandet sind. Im Fußball gibt es keine Garantie. Ich stehe als Präsident für unseren Weg. Das ist das Vermächtnis unserer Gründer.

Inwieweit verschieben sich aufgrund der jetzigen Phase die fußballerischen Werte?
Die emotionale Lücke, die der Fußball im allgemeinen und der SK Sturm im speziellen derzeit hinterlässt, ist groß. Es geht nicht nur um Sieg oder Niederlage. Es geht um mehr. Um Begegnung, um Freundschaft, um Verbundenheit Das spiegelt sich in vielen Bereichen des Lebens in dieser Krise wider.

Sind die Diskussionen in der Geschäftsführung mit dem Wechsel zu Andreas Schicker beendet oder wird es auf der wirtschaftlichen Seite auch noch eine Veränderung geben?
Mit Andreas Schicker kam es zu einer harmonischen Nachfolge aus dem Verein, die im Fußball selten ist. Wir setzen in der Geschäftsführung auf Kontinuität und das wollen wir so beibehalten.

Also bleibt Thomas Tebbich Wirtschafts-Geschäftsführer des SK Sturm?
Ich wüsste nichts anderes.