Seit zehn Jahren hat der SK Sturm nicht so wenige Gegentore nach drei Runden kassiert.
NESTOR EL MAESTRO: Das bringt uns jetzt nicht viel, wenn man 0:1 in Hartberg verliert.

Wenige Gegentore sind aber eine gute Basis für Erfolg, oder?
EL MAESTRO: Das ist meine Sichtweise.

Wie gefällt Ihnen das bisherige Auftreten Ihrer Mannschaft?
EL MAESTRO: Einiges hat sich bei uns festgesetzt. Das kollektive Verteidigen muss immer stattfinden. Was die Offensivspieler in beide Richtungen arbeiten, gefällt mir sehr gut. Ich bin zufrieden, wie unsere defensive Grundordnung und die Arbeit gegen den Ball aussieht.

Mit dem Ball gab es zuletzt gegen Hartberg Probleme. Warum?
EL MAESTRO: Fußball ist wie Schach. Man spielt gegen einen Gegner. Da muss man die Zusammenhänge sehen. Es ist alles ein Nehmen und Geben. Wenn ich mehr Risiko für die Offensive nehme, schlägt es auf der anderen Seite eher bei mir ein, weil ich Räume freilassen muss. Ich habe mich für die Ausrichtung mit weniger Risiko entschieden. Aber eines stört mich schon.

Was genau?
EL MAESTRO: In der Öffentlichkeit werden Dinge als wahr angesehen, die für mich falsch sind. Wir haben in allen drei Spielen zu 90 Prozent die gleiche Strategie gehabt. Aber es gibt die Faktoren Tagesform, die Einstellung des Gegners, den Spielverlauf und das Spielglück. Gegen St. Pölten hat es hoch attraktiv ausgesehen, gegen Hartberg zäh. Dass die Strategie dieselbe ist, akzeptiert die Öffentlichkeit selten. Aber Fußball funktioniert nicht wie auf der Playstation. Wenn man 0:0 spielt, heißt es, dass es offensiv miserabel ist. Gewinnst du 3:1, heißt es trotz total defensiver Ausrichtung, die Offensive sei gut gewesen. Fans und Medien wollen Spektakel. Für mich als Trainer ist es wichtig, eine gewisse Kontrolle über das Geschehen auf dem Platz zu haben. Nur zu sagen: „Jungs, geht raus, spielt Fußball und habt Spaß“, kann jeder.

Wie viel Kontrolle haben Sie über das Spiel?
EL MAESTRO: Häufig sieht es genau so aus wie vorbereitet. Aber das heißt nicht, dass wir die Spiele auch gewinnen. Selten kommt es vor, dass alles passt (lacht).

Was hat es mit Überraschungen im Fußballgeschäft auf sich?
EL MAESTRO: Es heißt oft, dass ein Trainer den anderen ausgetrickst hat, weil er statt 4-4-2 ein 3-5-2 spielen lässt. Das ist selten der Fall. Man sieht nach 45 Sekunden, welches System gespielt wird. Der Öffentlichkeit gefällt es, wenn es extrem viele Systemänderungen gibt. Die erkennt man ja auch einfach. Es sind meist drei Zahlen und die Summe ist zehn. Aber die besten und erfolgreichsten Trainer zeichnen sich nicht dadurch aus. Pep Guardiola überrascht niemanden. Er spielt seit Ewigkeiten 4-3-3 und gewinnt trotzdem fast alles, obwohl jeder die Spielweise kennt. Jürgen Klopp spielt bei Liverpool immer 4-3-3, Diego Simeone bei Atletico Madrid 4-4-2. Salzburg macht es genau gleich mit ihrem 4-4-2 mit Raute. Unflexibilität ist ein Zeichen von Stärke, was das System angeht. Das bedeutet, dass man an die eigene Organisation glaubt, mit allem zurechtkommt und zumeist Erfolg hat. Änderungen kommen meist, wenn es nicht so läuft.

Sie bauen auf ein 4-2-3-1. Wird es dabei bleiben?
EL MAESTRO: Ich finde es gut, in diesem wechselhaften Spiel Konstanz zu haben. Als Trainer muss man für etwas stehen. Wenn ich den Ruf habe, wenig Gegentore bei allen Stationen zu erhalten, ist es gut. Ich bin kein Trainer, der permanent hoch pressen lässt. Das ist auch nicht der beste Weg für Sturm. Sturm wird in vielen Spielen so ähnlich wie bisher aussehen. Ich hoffe, dass es erfolgreicher und attraktiver als gegen Hartberg wird.

Bis auf Bekim Balaj haben alle Stammspieler eine positive Zweikampfquote. Wie haben Sie das den Spielern eingetrichtert?
EL MAESTRO: Auf diesem Niveau gibt es technisch versierte Spieler, die etwas weich sind und Zweikampf-Monster, die keine überragenden Fußballer sind. Sonst spielt man nicht hier. Meine Marschroute ist es, weichere Spieler zu überzeugen, dass sie richtig dazwischenhauen. Das ist ein langer Weg, aber darauf setze ich.

Warum hat Dario Maresic bei Ihnen keinen Stammplatz?
EL MAESTRO: Dario hat wegen der U21-EM einen Nachteil gehabt und ist erst zwei Wochen später ins Training eingestiegen. Anastasios Avlonitis und Lukas Spendlhofer haben in dieser Zeit überragend trainiert. Für mich war die Defensive die wesentlichste Baustelle. Deswegen haben die beiden auch im ersten Spiel angefangen und es ist gut gegangen. Auf der Position sind wir überragend besetzt. Egal, wer spielt – ich habe null Bedenken. Klar wechselt man aber bei den Innenverteidigern nicht viel. Da muss man sich gedulden. Wenn ich mich festsetze, dann für längere Zeit. Vielleicht ist Dario aber bald mein wichtigster Spieler. Wer weiß?

Stefan Hierländer steht vor seinem Comeback. Auf welcher Position planen Sie ihn ein?
EL MAESTRO: Diese Frage begleitet Stefan die ganze Karriere. Er bringt viel Qualität mit und kann sie auf vielen Positionen ausspielen.

Auch als Linksverteidiger in einer Viererkette?
EL MAESTRO: Das habe ich noch nie bei ihm gesehen. Aber ich würde es ihm wie auch Emanuel Sakic und Fabian Koch in der Not auch zutrauen. Klar machen wir uns auch deshalb weniger Stress, weil wir nur einen Linksverteidiger im Kader haben.

Ist der aktuelle Kader zu groß?
EL MAESTRO: Gar nicht, von den Top sechs haben wir mit 22 Feldspielern den kleinsten Kader.

Sind vier Stürmer nicht zu viel?
EL MAESTRO: Das schon. Wir spielen nur mit einer Spitze, da würden auch zwei ausreichen, weil ich Thorsten Röcher auch als richtig guten Stürmer sehe.