Wo sehen Sie derzeit die Leistungsstärke des SK Sturm auf einer Skala von 1 bis 10?
Bei einer 6.

Warum?
Vieles kann noch gar nicht so da sein, weil wir es noch nicht so trainieren konnten, wie wir es sollten. Da geht es um Automatismen, sowohl in der Offensive als auch in der Defensive, und darum, eine einheitliche Idee zu entwickeln, wenn es um Ballverluste und Ballgewinne geht.

Wo sehen Sie die größten Baustellen?
Im spielphilosophischen Bereich ist es eine Großbaustelle. Es ist immer gut, wenn elf Spieler im gleichen Trikot zum gleichen Zeitpunkt die gleiche Idee haben. Und das ist bei uns noch nicht der Fall. Aber es war mir klar, dass das so läuft. Wir hatten einen großen Umbruch.

Haben Sie Erfahrungswerte in diesem Bereich?
Ich hatte einen ähnlichen Umbruch in Basel. Damals holten wir das Double und standen im Achtelfinale der Champions League. Im Sommer wurden uns die besten Spieler weggekauft. Und dann ist es ähnlich gelaufen. Die Erwartungshaltung war riesengroß. Wir sind im Play-off der Champions-League-Qualifikation gegen Cluj nach zwei Niederlagen ausgeschieden.

Das hat Ihnen wenig später auch Ihren Job gekostet. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass es in Graz anders sein wird?
Fußball ist ein sehr schnelllebiges Geschäft. Aus meiner Sicht fehlt da manchmal die Ruhe. Es bleibt dir nur die Zeit. Entweder du bekommst sie oder du bekommst sie nicht. Man verlangt, dass es funktioniert. Wenn es nicht funktioniert, bist du als Trainer das schwächste Glied.

Spüren Sie intern noch die Rückendeckung?
Natürlich. Manchmal gibt es Situationen im Fußball, da kann keiner etwas dafür. Wir können doch auch nichts dafür, dass wir in der vorigen Saison so erfolgreich waren. Das weckt Interessen und Begehrlichkeiten bei den Spielern. Das ist völlig normal und nichts Verwerfliches. Wenn du nicht der Krösus in einer Liga bist, gibst du nach oben hin ab. Das ist auf der ganzen Welt so. Was bleibt übrig? Die Hoffnung, dass dir der Umbruch gelingt.

Haben Sie die Hoffnung, dass der Umbruch gelingt?
Ganz klar habe ich die. Wenn das nicht mehr der Fall sein sollte, bin ich ganz fair und sage: „Ihr habt mit mir den falschen Trainer. Vergesst es!“

Wenn es nicht rund läuft, kommt oft der Vorwurf, der Trainer habe den Draht zur Mannschaft verloren.
Ich spüre die Mannschaft und ich glaube, die Spieler hängen an meinen Lippen. Sie haben einen einwandfreien Charakter und probieren mit aller Macht, es mir Recht machen zu wollen. Ich sage meiner Mannschaft auch immer die Meinung, aber ich werde nie einen Spieler in der Öffentlichkeit kritisieren.

Zuletzt gab es ein Pfeifkonzert gegen Altach und unschöne Worte gegen Spieler und Sie.
Bloß, weil wir da unten in der Arena stehen, heißt das nicht, dass die Fans alles mit uns machen dürfen. Wir sind kein Freiwild. Ich bin rausgegangen und wurde aufs Übelste beschimpft. Die können sagen: „Vogel, verpiss dich, du bist kein guter Trainer, du stellst falsch auf.“ Kein Problem. Aber als Arschloch und Wichser bezeichnet zu werden – da ist für mich eine Grenze überschritten. Spielern von uns müssen sich Kommentare anhören, wo ihnen Krebs gewünscht wird. Das hat eine Perversion angenommen - unfassbar. Das steht keinem Menschen auf der Welt zu. Ich habe das noch bei keinem Verein erlebt, dass Grenzen so schnell überschritten werden.

Welche Fehler gestehen Sie sich seit Saisonbeginn ein?
Ich würde vieles wieder so machen, aber ich würde es ein bisschen einfacher halten.

Inwieweit neigen Sie dazu, Ihre Spieler zu überfordern?
Ich bin, was das angeht, enorm ungeduldig. Das bin aber ich, das ist meine Handschrift. Ich will viel, das ist mir klar, in manchen Dingen zu viel.

Warum wollen Sie immer zwei Schritte nach vorne machen?
Ich will grundsätzlich immer nach vorne. Manchmal ist es aber besser, etwas zu verweilen und das bisher Erlernte zu festigen.

Wo muss man jetzt ansetzen?
Wir müssen die Defensive stabilisieren. Man kann nicht davon ausgehen, dass man mindestens zwei bis drei Tore braucht, um ein Spiel zu gewinnen. Das ist auch ein Stück weit eine Sache der Mentalität, mit aller Macht und Vehemenz zu versuchen, Gegentore zu verhindern. Das sind auch taktische Feinheiten.

Was hilft in der derzeitgen Situation?
Es braucht Siege. Erfolgserlebnisse helfen ungemein.

Wäre die Verpflichtung eines Mentaltrainers jetzt sinnvoll?
Ich sehe es als völlig falsches Zeichen, in einer vermeintlich schlechten Phase einen zu holen. Wenn, dann muss man immer von diesem überzeugt sein, auch in guten Phasen.

Sie haben bislang oft Ihr Personal und Ihre Formationen verändert. Inwiefern bedeutet das Ende des Europacups ein Ende der Rotation?
Klar wechselt man in englischen Wochen, weil man viele Spieler hat und die Belastungen hoch sind. Jetzt wird vieles einfach. Man kann in Ruhe und ohne Zeitdruck auf dem Trainingsplatz arbeiten. Jetzt gibt es den Vorteil, eine sehr ähnliche Formation spielen zu lassen. Das ist die Chance, sich einzuspielen und sich aufeinander einzulassen.

Ist der Kader gut genug, um Ihre Ziele zu erreichen?
Natürlich will ein Trainer seinen Kader immer verbessern. Ich sehe sehr viel Substanz. Aber mit Sicherheit gibt es Dinge, wo ich sage, da fehlt mir was.

Wo genau?
Uns fehlt etwas Dynamik.

Fehlt Sturm ein defensiver Mittelfeldspieler?
Es fehlt vielleicht einer, der eine ähnliche Dynamik wie James Jeggo hat. Das wäre eine zusätzliche Facette in unserem Spiel. Mit Sandi Lovric und Markus Lackner haben wir zwei spielstarke Sechser, die im Ballbesitz eine gute Präsenz haben.

Sie haben am Anfang gesagt, Sie sehen Sturm auf Stufe 6 in Bezug auf die Leistungsstärke. Wie lange dauert es bis Stufe 10?
Das kann früher oder später passieren. Wichtig ist es, dass es stetig vorangeht und mehr Konstanz hineinkommt. Aber selbst wenn wir auf einer 10 agieren, kann es sein, dass es trotzdem nicht reicht, weil zwei, drei andere Mannschaften klar besser sind.

Das bedeutet?
Wenn die Salzburger ihr ganzes Potenzial abrufen, sind die bei einer 15, Rapid bei einer 12.