Sie hat sich neuerlich viel rascher bestätigt, als es selbst von den kühnsten Pessimisten befürchtet worden war, die Notwendigkeit des Video-Referees (VAR) in der österreichischen Bundesliga. Am Donnerstag war die Einführung des digitalen Beweises per Frühjahr 2021 beschlossen worden, am Sonntag wurde bei der Härteorgie zwischen Rapid und dem WAC die Dringlichkeit auf extreme Weise sichtbar.

Besonders die Rapidler schlugen in außerordentlichem Ausmaß über die Stränge, doch Schiedsrichter Alexander Harkam ließ sie gewähren. Der Referee hat in der Nacht auf Montag nicht viel geschlafen, wie er selbst erklärte. "Meine Leistung war beschämend", gab der 37-jährige Steirer gegenüber der Kleinen Zeitung unumwunden zu. Klare Fouls blieben ungeahndet, gelbwürdige Vergehen kartenlos und Attacken, die auf internationaler Ebene Rot nach sich ziehen würden, ohne Folgen für den Spieler.

Harkam ließ schon bei der Heimfahrt das Video vom Match über sich ergehen und konnte es selbst nicht fassen. "Ich stelle mir die Frage, wo der Moment war, in dem mir das Spiel entglitten ist", meinte der Referee, der anmerkte, dass auch viel Pech dabei gewesen sei. Ausgerechnet Taxiarchis Fountas schoss das Rapid-Tor, jener Mann, der möglicherweise gar nicht mehr auf dem Platz hätte stehen dürfen. Ein hartes Foul des bereits verwarnten Griechen an Nemanja Rnic hatte Harkam nicht mit Gelb-Rot geahndet. Da hätte er den Spielraum ausgenützt, sagte der Unparteiische. 

"Ich kann es mir nicht erklären"

Die viel diskutierte Dreier-Serie in der 17. Minute mit einem klaren Foul an WAC-Stürmer Anderson Niangbo (ohne Pfiff) und einer klar mit Gelb zu bestrafenden Attacke von Stefan Schwab an Romano Schmid (Freistoß ohne Karte) setzte Harkam im Nachhinein besonders zu. "Ich kann mir nicht erklären, warum ich bei der einen Attacke nicht gepfiffen habe, und Schwab hätte ich wohl da schon Gelb geben müssen", meinte Harkam, der auch den Fehler beim nicht gegebenen Elfer für Rapid eingestand. "Da brauche ich nicht einmal eine Wiederholung." Das Nachtreten von Mateo Barac (auch ohne Karte) gegen den am Boden liegenden Schmid sei "von der Optik her wohl auch eher Rot" gewesen.

Der Schiedsrichter merkte allerdings auch an, auf Basis seiner langjährigen Erfahrung nicht damit gerechnet zu haben, "dass es so aggressiv wird. Natürlich habe ich eine Mitschuld an der Misere." Es sei alles zusammengekommen. "Ich bin schon so lange drin in diesem Karussell, und dann kommt es zu so einem Auftritt. Da zweifelst du an dir selbst", erklärte Harkam, um sich dann die Frage zu stellen, auf die er vorerst keine Antwort weiß: "Wie hat das passieren können?"

Schiedsrichter-Chef Robert Sedlacek wollte sich am Montag nicht konkret zu möglichen Folgen für den Unparteiischen äußern, die allgemeine Einschätzung lässt aber keine Zweifel offen. "Das Spiel war sicher am oberen Limit, was die Härte betrifft, auch weil der Schiedsrichter nicht adäquat durchgegriffen hat", sagte Sedlacek, am Sonntag zufälligerweise auch als Schiri-Beobachter im Einsatz. Sein Bericht wird am Dienstag vom Schiedsrichter-Komitee behandelt werden, für Harkam günstig ausfallen wird er nicht.