Hätte der Spieler Ralph Hasenhüttl unter dem Trainer Ralph Hasenhüttl ein Leiberl?
RALPH HASENHÜTTL: Diese Frage stellt sich zum Glück nicht mehr. Der Fußball von heute ist mit jenem von damals nicht zu vergleichen. Alles ist schneller, intensiver geworden. Für einen kopfballstarken Zentrumspieler gibt es sicherlich noch Mannschaften, bei denen er bestehen kann. Nicht aber unbedingt in meiner Mannschaft, weil da mehr Laufen gefragt ist.

Noch sind neun Runden zu spielen. Southampton hat sieben Punkte Vorsprung auf Rang 18, neun Punkte Rückstand auf Rang 6 – was gibt der Trainer als Zielsetzung aus?
Nicht mehr unten hineinzurutschen und sich eher nach oben zu orientieren. So viele Punkte wie möglich zu holen und in der Tabelle ein paar Positionen nach oben zu klettern. Jede bessere Position ergibt mehr Fernsehgelder für das nächste Jahr. Und dementsprechend mehr Möglichkeiten, im Sommer am Spielermarkt zu reagieren.

Vielleicht auch am österreichischen? Welche Spieler hätten Sie gerne bei Southampton?
Oh, da gibt es viele, die ich verpflichten würde. Ich hatte ja auch in Leipzig viele gute Österreicher, wie Marcel Sabitzer, Konrad Laimer oder Stefan Ilsanker. Ich glaube aber, dass die guten für uns zu teuer sind. Sie sind nicht mehr unser Jagdrevier. Wir backen in dieser Hinsicht kleinere Brötchen, sind da eher auf unbekanntere Gesichter aus, die wir entwickeln und dann um gutes Geld verkaufen können.

Southamptons Philosophie ist bekannt. Der Klub gilt als Ausbildungsverein. Und Liverpool gilt da als großer Abnehmer. Lovren, Lallana, Mane, Oxlade-Chamberlain, zuletzt van Dijk.
Wir haben deshalb auch einen Spitznamen: „Liverhampton“. Wir haben sehr viel hingeliefert, haben hier eine sehr gute Akademie. Zuletzt sind wir ein bisserl davon abgekommen. Wir wollen aber wieder dorthin zurück. Deshalb haben wir mit meiner Vertragsverlängerung bis 2024 das Langzeitprojekt angeschoben. Das wird eine spannende Geschichte.

Dass Sie Spieler entwickeln können, haben Sie auf allen Ihren Stationen bewiesen. Auch bei Ihnen gehört Liverpool zu den Käufern, als Naby Keita um kolportierte 60 Millionen von Leipzig zu den Reds wechselte. Wie gelingt der Spagat zwischen Einbau und Entwicklung junger Spieler und Erreichen sportliche Ziele. Für viele Clubverantwortliche schließt das eine ja das andere aus?
Keine Frage. Wenn man Spieler hergibt, macht man einen kleinen Rückschritt. Aber es ist andererseits die Chance für neue Spieler, sich zu beweisen. Man sieht das ja sehr gut bei Salzburg. Das ist mit viel Arbeit verbunden, klar. Wir investieren sehr viel Energie in die Entwicklung der Spieler.

Geht man die Trainerliste von Southampton durch, findet man sehr große, klangvolle Namen: Pellegrino, Koeman, Pochettino, früher Redknapp, Strachan, Hoddle. Was sagt das über Southampton aus?
Damals waren sie noch nicht so große Namen. Für viele war Southampton ein Sprungbrett. Ich habe den umgekehrten Weg eingeschlagen. Ich war schon Champions-League-Trainer, als ich hier hergekommen bin. Für mich ist Southampton mehr als nur ein Sprungbrett. Für mich ist es ein Langzeitprojekt, wo ich mich auch in einer anderen Art und Weise verwirklichen möchte.

Southampton hat seit Mitte der 80er knapp 30 Trainer gehabt. In der Liste mit den meisten Spielen liegen sie bereits auf Rang sieben.  Werden Sie hier Platz eins stürmen?
Zuerst muss ich einmal meinen Vertrag erfüllen, das ist das Wichtigste. Ich hab‘ mich in meiner Karriere noch nie so lange an einen Verein gebunden. Obwohl ich die Möglichkeiten hatte, Verträge zu verlängern. Anscheinend passt es hier. Und ich habe Bock, hier etwas zu erreichen.

Sie sind bei Southampton nicht nur Trainer, sondern auch Manager. Wie lernt man, mit solch irren Zahlen zu jonglieren?
Ich bin nicht derjenige, der die Finanzen regelt. Dafür haben wir unsere Spezialisten. Ich bin dafür da, die Richtlinien und Leitplanken vorzugeben, wie wir uns entwickeln können. Deswegen ist, denk‘ ich, auch die Symbiose entstanden. Weil der Verein gesehen hat, dass ich keiner bin, der einen 50-Millionen-Euro-Transfer fordert. Ich weiß, was wir haben und was wir ausgeben können. Ich versuche, Spieler zu holen, die hungrig sind, die sich weiterentwickeln wollen. Die uns vielleicht als Durchgangsstation sehen, uns aber dennoch ein paar Jahre weiterhelfen. So ist der Werdegang. So bin ich in den vergangenen Jahren gut damit gefahren, und so soll es auch in Zukunft sein.

Man spürt in jedem Ihrer Worte, dass Sie für den Sport brennen. Welche Rolle spielt für Sie der finanzielle Aspekt?
Ich denke, mein Karriereverlauf als Trainer erklärt dies ganz gut. Ich habe in der Jugend von Unterhaching angefangen und mich kontinuierlich hochgearbeitet. Ich war Co-Trainer, Trainer in der Regionalliga, in der 3., 2., dann in der 1. Bundesliga, bin über die Champions League in die Premier League gekommen. Solch einen Weg haben nicht viele Trainer eingeschlagen. Mein Antrieb ist die sportliche Herausforderung. Mit Geld hat das relativ wenig zu tun.

Sie haben bereits Siege gegen Chelsea, Tottenham und Arsenal in Ihren Gürtel eingekerbt. Wie besteht man gegen derartig übermächtige Gegner?
Wir haben hier sechs absolute Topvereine (Anm. neben diesen drei noch Liverpool, Manchester City und United), die alle den Anspruch haben, die Champions League zu gewinnen. Dahinter kommen noch weitere gute, potente Vereine. Das macht die Liga, die Spiele so reizvoll. Das macht unglaublich Bock, sich taktisch weiterzuentwickeln. Du musst damit leben, dass es nicht immer für einen Sieg reicht. Manchmal ist aber schon eine knappe Niederlage ein Erfolg, wenn du siehst, dass du ein Liverpool richtig vor Probleme gestellt hast.

Das soll in den kommenden Wochen wieder passieren. Wie erleben Sie eigentlich die Corona-Zeit in Großbritannien?
Noch haben nicht alle Geschäfte geöffnet, das nagt schon an der Lebensqualität der Menschen. Es gab viele Probleme mit den Kapazitäten von Tests und Schutzkleidung in den Krankenhäusern. Wir haben hier aber den Peak hinter uns und versuchen, so schnell als möglich zur Normalität zurückzukehren.

Wobei der Fußball sicherlich eine große Rolle spielt?
Die Politik hat darauf gesetzt, ja. Der Fußball kann dafür sorgen, dass den Menschen wieder ein Gefühl der Normalität vermittelt wird, auch wenn er ohne Zuschauer stattfindet. Ich denke, dass sich das aber nicht mehr lange halten wird. Kultur und Sport leben von Zusehern. Die Ansteckungsraten werden weniger. Die Menschen lernen, mit der Distanz umzugehen. Ich bin der Hoffnung, dass wir bald, vielleicht nicht volle, aber zumindest halbvolle Häuser bespielen können. Das macht schon einen riesen Unterschied aus.

Die deutsche Bundesliga hat bereits einige Runden absolviert. Schielen Sie mit einem Auge dorthin?
Ich habe nachwievor Kontakt zu einigen Leuten, sie sind uns ja ein paar Wochen voraus. Wie wird das Hygienekonzept umgesetzt? Wie werden Besprechungen abgehalten? Das Social Distancing schränkt die Arbeit schon ein. Da ist es für mich schon wichtig zu hören, wie die Situation dort gehandhabt wird.

Wie es in England funktioniert, werden wir ab Freitag sehen. Da nimmt die Premier League wieder den Spielbetrieb auf. Die Aufregung steigt?
Wir hatten gerade einmal ein Testspiel gegen Bristol City. Unser Auswärtsspiel in Norwich ist das Auftaktspiel nach der Corona-Unterbrechung. Niemand weiß, wo man steht. Das wird sehr spannend.