Der Londoner Stadtteil Motspur Park ist verschlafen. Während viel zu viele Züge noch mehr Pendler in die hektische Innenstadt bringen, stören im äußeren Süd-Westen der Stadt nur ein paar geschäftige Herren mit schwarz-weißen Trainingsanzügen die Ruhe.

Auch Michael Madl trägt Schwarz-Weiß. Wären da keine roten FFC-Buchstaben auf seiner Brust, man könnte fast meinen, es sei beim Ex-Sturm-Kapitän eh alles beim Alten. Aber bis auf die Vereinsfarben ist alles ganz anders. In der Kantine des sieben Sportplätze umfassenden Fulham-Trainingszentrums sind seine Teamkollegen gerade beim Frühstück. Madl hat an einem großen, schwarzen Tisch Platz genommen. „Es ist hier alles viel größer und wir haben perfekte Bedingungen“, erzählt der 27-Jährige.

„Vor allem Regeneration steht im Fokus“

Fast wie ein normaler Angestellter verbringt ein englischer Fußballprofi seinen Tag – von in der Früh bis zum Nachmittag – im Trainingszentrum. Die Einheiten seien sehr intensiv. Aber eigentlich wird seltener trainiert als bei Sturm. Kraftkammer, Training, Erholung – so zieht sich eine einzelne Einheit dafür in die Länge. „Vor allem Regeneration steht im Fokus“, erklärt Madl.

46 Spiele erlebt ein Fußballer der Championship, der zweithöchsten Spielklasse Englands, in einer Saison – FA-Cup, Liga-Cup und etwaiges Aufstiegs-Play-off ausgenommen. Aus den beiden Pokalbewerben ist Fulham bereits ausgeschieden, mit dem Aufstieg hat man heuer auch nichts zu tun. Man will eher die Abwehr stabilisieren – und dabei soll Madl helfen.

Gelobt, gehyped, aber am Boden

Beim 3:0-Sieg gegen die Queens Park Rangers war er erstmals im Einsatz. Über 90 Minuten. „Was für ein Aufbauspiel!“ „Der wird eine Legende!“ Die positiven Facebook-Kommentare der Fulham-Fans überschlugen sich. „Ich glaube, für das erste Mal war’s okay. Aber wir haben fünf Innenverteidiger, es kann schnell anders ausschauen“, bleibt er bescheiden. Auch wenn er das Vertrauen von Trainer Slavisa Jokanovic spürt. Gegen Blackburn spielte Madl durch, gegen Charlton in der zweiten Spielhälfte, in der er seinen ersten Treffer für die Londoner beisteuerte.

Er kennt das Geschäft schon zu lange. Früh als Teil der österreichischen U20-Weltmeisterschaftsmannschaft von 2007 gehypt, fand der Absolvent der Frank-Stronach-Akademie über den Umweg Wacker Innsbruck, Austria-Ersatzbank und Wiener Neustadt zu Sturm und sogar ins Nationalteam.

Schalter umlegen

Dass Madl in London per Leihe unterkam, lag an Fulhams Verstößen gegen das Financial Fairplay. Über diese Geschichte und die Wohl-Kaufvereinbarung im Sommer will übrigens keiner offiziell reden. Und nein, forciert habe er den Wechsel in die englische Metropole nicht. Aber als sich die Chance auftat, wollte er sie nutzen: „Es hat für Sturm und mich gepasst. Es ist eine andere Welt. Ich will beweisen, dass ich den Schalter umlegen kann und auch in der Championship bestehen kann.“

„Sturm ist ein Verein zum Altwerden“, sagte er noch 2012, als er zu Sturm kam. „Eigentlich sollte Sturm mein letzter Verein in Österreich sein und tendenziell wollte ich meine Karriere in Graz beenden. Aber ich habe dann gut gespielt und jetzt sitze ich hier.“
Wenn er weiter so spielt, tut er das noch länger. Immerhin weiterhin in Schwarz-Weiß.

PETER K. WAGNER, LONDON