Auf Adi Hütter wartet ein Date mit der eigenen Vergangenheit. Einst half der Vorarlberger, den SV Salzburg gegen Eintracht Frankfurt ins Halbfinale des UEFA-Cups zu schießen. Fünf Jahre nach seinem Abschied als Trainer trifft er nun als Coach der Frankfurter auf seinen Ex-Club Red Bull Salzburg.

Vor den Europa-League-Duellen nächsten und übernächsten Donnerstag sprach Hütter im Interview mit der APA - Austria Presse Agentur über das Verhältnis zwischen Salzburg und Leipzig, den Zustand des österreichischen Fußball-Nationalteams und darüber, warum er die jüngste Krise der Eintracht unbeschadet überstanden hat.

Was sagt Ihnen der 3. März 1994?

Adi Hütter: "Vom Gefühl her das Hinspiel in Wien, in dem wir 1:0 gewonnen haben, und in dem ich das Tor geschossen habe."

Es war ein bedeutendes Europacup-Duell zwischen Salzburg und Frankfurt, kommende Woche folgt das nächste. Was verbinden Sie damit?

Hütter: "Die Geschichte wird neu aufgearbeitet. Für mich persönlich sind es große positive Erinnerungen, mit dem Tor in Wien, mit dem Rückspiel, in dem ich einen Elfmeter geschossen habe, in dem wir weitergekommen sind und einen deutschen Bundesligisten ausgeschaltet haben. Jetzt bin ich aber auf der anderen Seite. Die Frankfurt-Fans können mit dem Datum sicher nicht mehr so viel anfangen. Das war vor 26 Jahren. Aber die Konstellation, dass ich jetzt Frankfurt-Trainer bin, ist natürlich außergewöhnlich."

Ihre Trainertätigkeit in Salzburg liegt weniger lange zurück, nämlich fünf Jahre. Was hat Salzburg seither für eine Entwicklung gemacht?

Hütter: "Man sieht seit 2012, als Ralf Rangnick gekommen ist und die Spielphilosophie in den kompletten Verein implementiert hat, dass eine Nachhaltigkeit da ist. Die Spieler, die nachrücken, haben ähnliche Stärken - Schnelligkeit, Dynamik, Technik, auch die Mentalität. Es werden gewisse Personen ausgetauscht, aber die Spielidee bleibt immer die gleiche. Sie haben eine richtig gute Entwicklung gemacht mit Spielern, die dann um sehr viel Geld verkauft worden sind. Und diese Topspieler können sie nahtlos ersetzen, das ist das größte Plus."

Ihr eigener Abschied nach nur einem Jahr und dem Double war eine recht mutige Entscheidung.

Hütter: "So bin ich auch. Fakt ist, dass wir uns einvernehmlich getrennt haben. Es hat da unterschiedliche Ansichten gegeben. Es war aber alles sehr positiv. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Jahr dort verbringen können habe als Trainer. Und ich darf mich jetzt nicht beklagen."

Also auch eine glückliche Fügung?

Hütter: "Man versucht, authentisch zu bleiben. Bei Salzburg war klar, dass der Weg auch ohne mich erfolgreich weitergeht. Ich bin einen anderen Weg gegangen über die Schweiz und bin heute in der deutschen Bundesliga. Das war auch beinharte Arbeit, da wird dir nichts geschenkt. Jetzt bin ich dort, wo ich immer schon hinwollte und fühle mich hier auch sehr wohl."

Ihr Vertrag läuft noch eineinhalb Jahre. Was steht noch auf dem Karriereplan?

Hütter: "So weit denke ich jetzt gar nicht. Für mich ist die Zielsetzung, dass wir in diesem halben Jahr noch viele schöne Erfolge feiern. Wir haben im Pokal die Chance auf das Halbfinale. Die Duelle mit Salzburg sind für mich eine 50:50-Chance. Wir haben in der Meisterschaft die Möglichkeit, wenn wir so weiterperformen, unter die ersten zehn zu kommen. Da denke ich nicht eine Sekunde über den Vertrag bis 2021 nach."

Nach dem Halbfinal-Einzug in der Europa League im Vorjahr haben Sie vom größten Erfolg ihrer Trainerkarriere gesprochen. Wie groß ist das Ziel, wieder in diese Richtung zu gehen?

Hütter: "Wir haben im Vorjahr lauter Champions-League-Kaliber ausgeschaltet. Es kann passieren, aber man kann sich nicht erwarten, dass Eintracht Frankfurt das jedes Jahr gelingt. Mit Salzburg wartet ein ganz schöner Brocken. Sie haben in der Champions League eine sehr, sehr gute Figur gemacht. Ich kenne ihre Zielsetzung im Verein. Auch wenn es in der Liga heuer etwas spannender ist: Priorität hat, zu zeigen, welche Qualität Salzburg international hat. Im November oder Dezember hätte ich Salzburg favorisiert. Jetzt sind wir ganz gut in die Rückrunde gestartet - deswegen 50:50."

Was ist der Schlüssel, dass es 2020 bisher bedeutend besser läuft als vor der Winterpause?

Hütter: "Da gibt es ein paar Punkte. Wir reden von acht oder neun Tagen Pause, um die Köpfe freizubekommen. Das ist nicht viel, aber Spieler wie (Torhüter) Kevin Trapp und (Kapitän) David Abraham sind zurück. Wir haben an den richtigen Rädchen gedreht, was die Grundordnung betrifft, bekommen nun wesentlich weniger Gegentore. Den Gegenwind, den wir gespürt haben, haben wir so richtig reingeblasen, dass es wieder Rückenwind geworden ist. Dazu kommt, dass wir im Verein Ruhe gehabt haben."

Ruhe ist bei einem Verein wie Eintracht Frankfurt in einer so schwierigen Phase nicht selbstverständlich. Worauf führen Sie das große Vertrauen in Sie zurück?

Hütter: "Natürlich brauchst du immer wieder Ergebnisse. Aber der Verein und die Verantwortlichen wissen, wie ich arbeite. Von ihnen habe ich 100 Prozent Unterstützung gespürt. Ich glaube schon, dass die letztjährige Saison auch den Ausschlag gegeben hat, dass man über diese Phase gemeinsam drüber hinweggeht. Wenn wir letztes Jahr Zwölfter geworden wären und im Europa-League-Sechzehntelfinale ausgeschieden wären, hätte ich es möglicherweise nicht so leicht und problemlos überstanden."

Ihr Team hat zuletzt zweimal RB Leipzig geschlagen. Was kann man daraus für Salzburg ableiten?

Hütter: "Beide haben ein unglaublich schnelles Umschalten am Ball. Salzburg legt mehr Wert auf Pressing, Leipzig ist wahrscheinlich die technisch bessere Mannschaft. Aber Salzburg ist sehr geradlinig, sehr schnell nach Ballgewinn. Sie sind alle sehr aktiv, da müssen wir einen Schlüssel finden."

Salzburg ist mittlerweile sehr darauf bedacht, sich von Leipzig zu emanzipieren. Wie wichtig ist das für die Entwicklung des Clubs?

Hütter: "Man hat sich ein bisschen abgekapselt, lässt sich nicht mehr von Leipzig leiten. Es ist zwar noch immer im Konzern, vom Gefühl her ist jetzt aber eine Eigenständigkeit da. Das ist intern, aber auch für das Umfeld und die Fans sehr wichtig. Ich habe das Gefühl, dass (Sportdirektor) Christoph Freund und (Geschäftsführer) Stephan Reiter einen sehr guten Job machen, dass die Trainer jetzt ganz in Ruhe arbeiten können. Es ist nicht mehr so, wie es vor ein paar Jahren war."

Wenn Sie die Chancen gegen Frankfurt mit 50:50 beziffern: Welche Rolle könnte Salzburg in der deutschen Bundesliga spielen?

Hütter: "Red Bull Salzburg kann zu 100 Prozent in der deutschen Bundesliga mithalten - von den Rahmenbedingungen, von den Perspektiven und auch vom Wirtschaftlichen her. Eine genaue Platzierung abzuschätzen ist nicht möglich. Es ist etwas anderes, wenn du zwischen internationalen Spielen in der österreichischen Bundesliga fünf, sechs Spieler hinausstellen kannst und trotzdem eine hohe Qualität hast. Wenn du das in Deutschland machst, weiß ich nicht, ob du Woche für Woche mithalten kannst. Da liegt ein bisschen der Haken."

Wie sind die Abgänge von Erling Haaland und Takumi Minamino für Salzburg zu verkraften?

Hütter: "Sie haben Okafor von Basel dazubekommen, Hwang und Daka sind schon da - auch Adeyemi, den sie hochgezogen haben. Da kann jederzeit jeder explodieren. Das ist die ganz große Stärke von Salzburg, dass sie Spieler, die man vermeintlich schwer ersetzen kann, jedes Mal super ersetzen können. Ich glaube, dass sie auch diesmal kein Problem haben werden. Obwohl ich denke, dass Haaland - hoffentlich für uns - ein bisschen eine Lücke hinterlässt."

Mit Martin Hinteregger und Stefan Ilsanker haben Sie mittlerweile zwei österreichische Nationalspieler im Kader. Was trauen Sie dem ÖFB-Team bei der EM im Sommer zu?

Hütter: "Wenn alle fit sind, wenn alle in Form sind, dann ist sehr viel möglich. Ich glaube, die letzte EURO hat auch aufgezeigt, was wir tun müssen, um wirklich weiterzukommen. Ich bin sehr stolz, was für eine tolle Nationalmannschaft wir haben. Wenn man schaut, wie viele Spieler in der deutschen Bundesliga spielen und teilweise wesentliche Rollen einnehmen, wird mir nicht angst und bange wegen der Europameisterschaft."

Sie sind diese Woche 50 geworden. Ab welchem Alter kann man sich vorstellen, Nationaltrainer zu werden?

Hütter: "Wir haben momentan einen sehr, sehr guten Teamchef mit Franco (Foda). Es ist die höchste Auszeichnung des Landes, Nationaltrainer zu sein. Sicherlich schwebt das irgendwann einmal in meinem Kopf herum, wenn es einmal eine Chance gibt. Momentan passt der Zeitpunkt für mich nicht, weil ich wahnsinnig gerne Clubtrainer bin und tagtäglich mit der Mannschaft arbeite. Vielleicht gibt es den Zeitpunkt einmal. Momentan mache ich mir diesbezüglich aber überhaupt keine Gedanken."