Sie haben am Sonntag den Höhepunkt Ihrer Karriere erlebt, durften das Finale der Womens Champions League als Schiedsrichterassistentin begleiten. Erzählen Sie davon.
SARA TELEK: Ein einzigartiges Spiel und ein besonderer Moment in meiner bisherigen Schiedsrichter-Karriere. Die letzten Tage waren so intensiv, ich werde das erst in den nächsten Tagen realisieren, begreifen und realisieren dürfen.

Wie passiert denn so eine Nominierung? Werden da Sie angerufen oder läuft das über den ÖFB?
Man wird persönlich von der UEFA kontaktiert. Das war ein riesengroßer Freudensmoment, da es eine große Ehre und besondere Auszeichnung ist. Mit dem Finale habe ich nicht gerechnet. Umso größer war die Freude. Das war ein unglaublicher Moment, wo ich jetzt noch merke, dass er mich unheimlich bewegt.

Hat es im Rahmen des Spiels ein Erlebnis gegeben, dass Sie Ihr ganzes Leben nicht mehr vergessen werden?
Mir wird das gesamte Erlebnis sicherlich ewig in Erinnerung bleiben, da es der Höhepunkt meiner bisherigen Schiedsrichterkarriere ist. Eine schöne Bestätigung für die letzten Jahre. Ich bin seit 2008 Schiedsrichterin und es ist einfach eine Freude zu sehen, wie man sich entwickelt hat und was sich plötzlich für Möglichkeiten auftun. Es ist einfach der Beweis, dass sich der Einsatz und die Arbeit auszahlen und wertgeschätzt werden.

Sie leiten sehr oft mit männlichen Kollegen Spiele von Männern. Und haben jetzt mit weiblichen Kollegen ein Spiel von Frauen geleitet. Hat es da einen Unterschied gegeben?
Für mich als Schiedsrichterassistentin nicht. Ich fokussiere mich ja immer auf das Gleiche. Auf das Spiel und darauf, den Schiedsrichter oder die Schiedsrichterin bestmöglich zu unterstützen, in meiner Rolle als Assistentin. Bei den Abseitsentscheidungen ist ja letztlich egal, wer auf dem Platz ist. Es sind die einzelnen Situationen, die je nach taktischer Auslegung der Mannschaft, unabhängig von der Geschwindigkeit, genauso herausfordernd sein können. Für mich macht es keinen Unterschied.

Haben Sie das Gefühl, dass sich Bundesliga-Spieler Ihnen gegenüber anders verhalten als gegenüber Ihren männlichen Kollegen?
Das kommt ganz auf den Spieler, das ist sehr individuell und da ist jeder anders. Grundsätzlich habe ich schon das Gefühl, dass eine gewisse Wertschätzung da ist. Die kann aber auch sehr schnell umschlagen, je nach Situation und Entscheidung. Es hängt sicher auch sehr viel davon ab, wie man mit den Spielern umgeht.

Wie kommt man denn auf die Idee Schiedsrichterin zu werden?
Bei mir war das eher zufällig. Ich war Spielerin und habe 2007 die ÖFB-Kampagne "Karriere mit Pfiff" entdeckt. Ich dachte mir, das könnte für mich als Fußballerin interessant und die Regelkenntnis für das Team von Vorteil sein. Das war mein Zugang. Es gibt viele junge Kollegen, die den Schiedsrichterkurs absolvieren, weil sie ein klares Ziel haben. Das war bei mir absolut nicht der Fall. Ich habe erst mit der Zeit realisiert, was möglich wäre.

Warum gibt es in Österreich nur eine Österreicherin, die in der höchsten Spielklasse als Schiedsrichterin aktiv ist?
Es gibt insgesamt nicht viele Schiedsrichterinnen. In jedem Bundesland nur eine Hand voll. Ich glaube, viele Frauen fühlen sich einfach nicht angesprochen, weil der Beruf sehr männlich behaftet ist. Du brauchst einen starken Charakter um dich durchzusetzen. Jedes Wochenende ein bis vier Spiele, gerade in den Unteren Ligen sind nicht nur körperlich, sondern auch mental sehr fordernd. In jedem Spiel erwarten dich 22 verschiedenen Charakteren und neue Herausforderungen. Ich kann mir vorstellen, dass viele - egal ob Mann oder Frau - am Anfang negative Erfahrungen sammeln und sich schwer tun mit Misserfolg umzugehen. Auch fehlende Wertschätzung, Respekt oder Dank führen dazu, dass viele nicht lange dabei bleiben. Gerade bei jungen Unparteiischen wird versucht, die Unsicherheit auszunutzen. Man sit unerfahren und kann das Spiel noch nicht so gut lesen, dementsprechend größer ist die Möglichkeit, dass Fehler passieren.

Wie könnte man den Beruf der Schiedsrichterin den attraktiver machen?
Hilfreich wäre das Aufzeigen möglicher Perspektiven und Potenziale, damit Interessierte eine bessere Vorstellung bekommen, was es heißt Schiedsrichterin zu sein. In Deutschland zum Beispiel ist das System so, dass jeder Verein regelmäßig Schiedsrichter an den Verband stellen muss, damit kein Mangel aufkommt. Das ist in Österreich nicht so. Die Möglichkeit Schiedsrichter zu werden ist überhaupt nicht präsent - und wenn, dann negativ behaftet. Es wäre hilfreich, wenn Funktionäre oder Trainer jüngere Menschen auf die Möglichkeit hinweisen, Schiedsrichter zu werden. Ich glaube, das Potenzial der Schiedsrichterei wird unterschätzt.

Sie haben in der Bundesliga als Schiedsrichterin noch kein volles Haus erlebt.Was glauben Sie, was Sie da noch erwartet?
Ich war beim Abschiedsspiel von Steffen Hofmann an der Linie vor vollem Haus. Jedoch war das kein Bewerbsspiel. Das war freilich noch einmal ein anderes Gefühl. Ich glaube, die Atmosphäre in einem vollen Stadion motiviert und sorgt nochmal mehr für Ansporn bei allen.

Können Sie sich vorstellen, dass man als Schiedsrichter oder Linienrichter von Fans beeinflussbar ist?
Wenn man seiner Funktion als Schiedsrichter nachgeht, dann entscheidet man ja das, was man sieht. Du musst jede Entscheidung so treffen, dass es die für dich Richtige ist. Ob das dann tatsächlich jedes Mal so ist, lässt sich erst im Nachhinein analysieren. Es sollte also nicht beeinflussen. Man lernt im LAufe der JAhre, sich auf die eigene wahrnehmung zu verlassen. Reaktion der Zuschauer spielt da keine Rolle. Wir wissen ja, dass sehr oft Schiedsrichter-Entscheidungen von Fans hart kritisiert werden, die aber völlig korrekt waren.

In der jüngeren Vergangenheit hat es zahlreiche Fehlentscheidungen gegeben. Wie ist denn da die Feeback-Kultur im Schiedsrichterwesen?
Man arbeitet nach dem Spiel mit dem Beobachter das gesamte Spiel auf. Man analysiert es gemeinsam im Team, dann noch einmal alleine. Das ist eine sehr intensive Analyse, da man versucht sich Spiel für Spiel zu verbessern.

Wie sehr sehnt man als Schiedsrichterin den VAR herbei?
Ich freue mich sehr darauf, weil es ein neuer Zugang ist, eine neue Herausforderung. Das Ganze wird noch moderner, zeitgemäßer. In anderen Ligen hat das System ja dazu beigetragen, den Fußball fairer zu machen und im Sinne und Geiste des Fußballs krasse Fehlentscheidungen zu korrigieren.