Für Lothar Matthäus ist es eine Rückkehr – auch wenn die Erinnerungen an Salzburg nicht grundsätzlich positiv sind. Denn vor 14 Jahren bastelte der deutsche Rekord-Internationale schon als neuer Cheftrainer von Red Bull Salzburg an der neuen Mannschaft, als ihm dann doch Giovanni Trapattoni vorgesetzt wurde. „Die Verträge waren anders unterschrieben, deshalb war Salzburg letztlich eine Enttäuschung für mich“, sagt der heute 59-Jährige, der damals einen Co-Trainer mit nach Salzburg brachte, der ebenso heute gewissermaßen nach Salzburg zurückkehrt – allerdings nicht als TV-Experte, sondern erfolgreicher Trainer des Gegners: Seit Hansi Flick beim FC Bayern das Sagen hat, schwimmen die Münchner auf einer Erfolgswelle, die sie im Frühjahr zum Triple trug und auch heuer bereits wieder auf Platz eins der Tabelle in Deutschland. Im heutigen Duell zwischen dem österreichischen und deutschen Meister in der Champions League (21.00 Uhr) ist Bayern Favorit.

Natürlich auch für Matthäus, der aber aus der Zeit in Salzburg nach wie vor „Freundschaften“ pflegt. Und der auch den Fußball der Salzburger verfolgt – nicht nur, weil er heute in Salzburg als Sky-Experte analysieren wird. Zu sehen übrigens „nur“ auf Sky Deutschland, Sky Österreich hat sein eigenes Duo dabei. Als dieser Experte sieht er durchaus Chancen für die Mannschaft von Jesse Marsch: „Salzburg hat auch gegen große Klubs wie Atletico oder Liverpool gezeigt, dass sie jemanden stolpern lassen können. Klar ist Bayern Favorit, aber sie müssen schon hoch konzentriert sein – Salzburg kann ohne Druck spielen, mit Elan, als Außenseiter. Und Bayern? Hat immer Druck“, sagt Matthäus.

Um das Kräfteverhältnis richtig einzuordnen: Der FC Bayern ist Nummer eins der Klubrangliste, in der Champions League seit nunmehr 14 Spielen in Serie nur mit Siegen ausgestattet. Wiewohl der nun in Budapest lebende Matthäus einräumt: „Auch Salzburg braucht einen Punkt nach den zwei Niederlagen, selbst im Kampf um Platz drei – und der muss das Ziel sein, das ist ja auch nicht so schlecht.“

Das Rezept? "Man muss mutig sein"

Und: Matthäus, selbst lange genug beim FC Bayern, weiß auch, was Salzburg tun muss: „Man muss mutig sein, die Bayern attackieren und stören. Man muss Körperkontakt suchen, Lücken finden. So, wie es Moskau versucht hat, wie es auch viele in der Bundesliga versuchen. Man muss nur aus den wenigen Gelegenheiten auch etwas machen.“

Eine Fähigkeit, die der Deutsche dem Team zutraut, nicht zuletzt wegen des Trainers. „Jesse Marsch ist ein sehr emotionaler Trainer, einer, der den Red-Bull-Stil verkörpert: Attraktives Spiel, frühes Attackieren, schnelles Umschalten, Geschwindigkeitsspieler – und Jesse lebt das vor.“ Das Problem sei mitunter, dass Salzburg in jedem Jahr wichtige Spieler verloren gehen. „Aber“, sagt Matthäus, „das ist ja das Konzept. Und es inkludiert den Glauben an junge Spieler, die auch Fehler machen dürfen.“ Als Wahl-Ungar hat Matthäus natürlich einen Favoriten: „Dominik Szoboszlai – der steht bei jedem großen Verein auf dem Zettel. Und in Budapest, da vergleichen sie ihn schon mit Ferenc Puskas.“

Und obwohl Matthäus selbst lieber andere sportliche Wurzeln geschlagen hätte, vor dem „Projekt Red Bull“ zieht er den Hut: „Mit Leipzig und Salzburg gibt es zwei Vereine mit Europaformat.“

Was sagt Matthäus zu den Bayern? „Man sollte nicht damit rechnen, dass sie Salzburg unterschätzen, man hat großen Respekt vor Salzburg. Man weiß, wie sie spielen. Und die Mannschaft ist nach wie vor hungrig.“ Zu viel Hoffnungen sollte man sich also nicht machen, dass es wie vor sechs Jahren in einem Freundschaftsspiel ein 3:0 geben wird. „Österreich träumt gern – von Dingen wie Córdoba 1978. Aber das 2014, das war ein Freundschaftsspiel. Das heute ist Champions League – das wäre ein Vergleich wie Äpfel mit Birnen.“

"Wenn Alaba nur mehr Geld will, dann soll er gehen"

Bleibt ein Thema offen: David Alaba. Und da wird Matthäus fast emotional. „Es ist die Frage, worum es geht. Um Geld? Dann ist es ein Fehldenken. Wenn er nur mehr Geld will, dann soll er gehen. Mit Bayern hat er den besten Verein der Welt, organisatorisch wie sportlich. Er hat ein Riesenstanding, ist Führungsspieler, Abwehrchef, verdient knapp 20 Millionen – und er muss sich in Zeiten wie diesen fragen: Kann Real bald noch 100 Millionen für fünf Jahre zahlen? Der Kuchen wird in Coronazeiten kleiner, das muss er wissen. Und in München, da kann er noch mehr Legende werden, als er es ohnehin schon ist.“