Es war 1998, als der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog den Wandel des Bundesstaats Bayern vom Agrar- zum Hightech-Standort mit der gelungenen „Symbiose aus Laptop und Lederhose“ charakterisierte. In Bayern übernahm man diesen Vergleich bereitwillig – und er wurde zum politischen Slogan. Als Beleg für den Erfolg von Firmen wie Allianz, BMW, Audi, Adidas, Linde oder Schaeffler.

Der FC Bayern gewann die Champions League

Der FC Bayern München hat seinen eigenen Leitspruch, der hat mit Lederhosen und Laptops wenig zu tun, auch wenn die Gegner jedes Mal davon träumen, ihnen die Lederhosen sprichwörtlich auszuziehen. Der Leitspruch des deutschen Fußball-Krösus ist auch nicht wie jener von anderen Klubs auf Marketingtauglichkeit geprüft. Schon gar nicht ist er, wie man es von einem Klub von Weltformat würde erwarten können, international verständlich oder gar auf Englisch formuliert. Nein, der Leitsatz des FC Bayern ist, ja, urbayerisch und denkbar einfach:
„Mia san mia.“

Drei Worte – oder besser zwei, genau genommen –, denen viele Bedeutungen zugeschrieben werden, die unzählige Botschaften senden. Ein Satz, der unterschiedlich aufgenommen wird, unübersetzbar ist. Denn wie würde es schon klingen, wenn man „We are we“ in die Mikrofone plärren würde? Ein Leitspruch jedenfalls, der den Spagat schafft zwischen der bayerischen Heimat und der großen, internationalen Fußballwelt. Ein Satz, der in vielerlei Hinsicht zu interpretieren ist.

Die, die den FC Bayern nicht mögen – und das sind durchaus viele –, erkennen in ihm die Arroganz der Erfolgreichen, die Münchner Schickeria, die auf den Rest hinunterschaut und die Welt da draußen als nicht gut genug ausschließt aus ihrer Familie.

Die, die den FC Bayern ausmachen, sehen es anders. „Mia san mia“, sagen sie, das steht für den Zusammenhalt im Verein, mitnichten für Arroganz. Denn für das Gegenteil von Großkotzigkeit, wie es Ex-Tormann und nun Vorstandsmitglied Oliver Kahn einmal formulierte, steht es: „,Mia san mia‘ drückt aus, dass man immer Demut haben muss, immer ein Wort für den Gegner, im Sieg wie in der Niederlage.“

„Mia san mia“ – und das sagen alle, die einmal Teil der Bayern-Familie waren –, das steht in Wahrheit für den Zusammenhalt innerhalb des Vereins. Das daraus entstehende Bewusstsein, alles schaffen, immer gewinnen zu können. Sich nie auf Erfolgen auszuruhen, immer nach vorn zu blicken. „Es gibt kein Links oder Rechts, es gibt nur Siege“, sagte Thomas Müller einst. Der muss es wissen, zählt er doch mit dem Österreicher David Alaba zum erfolgreichsten Spieler der Bayern-Geschichte.

Der größte Mitgliederverein der Welt

„Mia san mia“, das war immer schon Teil der bayerischen Geschichte, Teil des Auflehnens gegen die Preußen, die den heute südlichsten Teil des Landes noch im 19. Jahrhundert als rückständig betrachteten – und doch immer kamen und kommen und sich vom Charme des Gscherten einwickeln lassen.

All das mag auch auf den FC Bayern zutreffen, der in den späten 60er-Jahren aufstieg wie ein „Stern des Südens“ – so heißt auch die Fanhymne. Seither beißen sich die Preußen auf dem Platz mit regelmäßiger Verlässlichkeit die Zähne an den Lederhosn aus. Den Platz an der Sonne, den verlassen die Bayern ungern. Es war Uli Hoeneß, einst selbst erfolgreicher Spieler der „goldenen Generation“ rund um Franz Beckenbauer und Gerd Müller, der seiner Überzeugung folgte, den FC Bayern „zu einer Weltmarke zu führen“. Mit Erfolg. Der Klub, heute geführt von Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Kahn, hat fast 300.000 Mitglieder, mehr als jeder andere weltweit. Trotzdem ist er durch und durch bayerisch – „Mia san mia“ eben.

Die Bayern, selbst höchst kommerziell, ein Konzern mit über 1000 Mitarbeitern und 750 Millionen Euro Jahresumsatz, haben sich als Antithese zu Klubs wie Paris St-Germain oder Manchester City positioniert. Als letzte Ritter des Vereinswesens im Kampf gegen böse Investoren gewissermaßen. „Mia san mia“ eben.

Wahrlich: Kaum einer, der je Teil der Bayern war, weiß nicht von der Wärme und Menschlichkeit im Klub zu berichten; eine Seltenheit in heutiger Zeit. Trotz des allgegenwärtigen Drucks des Siegenmüssens. Meister und Pokalsieg? Selbstverständlich. Nur das zweite Triple, am Sonntag eingefahren, das ist selbst bei Bayern nicht einfach Erfolgsalltag.
Was die Münchner ausmacht? „Vielleicht ist der FC Bayern ja eine Mischung aus Volksmusik und exzellent gespieltem, gutem Hardrock“, sagt Oliver Kahn in einer Doku. Vielleicht hat er recht, auch wenn diese Stil-Symbiose keinen Hörgenuss verspricht. Aber der FC Bayern ist eben nicht jedermanns Liebling. Sondern Bayern. Oder auch: „Mia“.