Der Spanier spricht es nicht aus, aber er unterliegt liebend gerne der Versuchung. Er trägt den Stolz in sich und bisweilen auch vor sich her. Auf den Fußball bezogen ist er von herrschaftlichem Anspruch, „real“, königlich eben. Die Puerta del Sol im Herzen von Madrid ist aber in Tagen wie diesen fest in englischer Hand und das verletzt das von den zahl- und segensreichen Erfolgen geprägte iberische Selbstbewusstsein.

Juan leugnet gar nicht, zu dieser Sorte zu gehören. Der Real-Fan macht aus seiner Abneigung gegen das Inselduell in seiner Stadt kein Hehl. Er bleibt nicht auf dem Boden, sondern er hebt ab, heute nach New York. Er lässt das Champions-League-Finale Finale sein. Er ist Pilot.

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Anderen fällt es nicht in den Schoß, so leicht Abstand gewinnen zu können. Sie müssen die britannische „Conquista“ erdulden, diese verläuft jedoch ausgesprochen friedlich, an dem Platz, der eigentlich Real Madrid vorbehalten ist, sollten die „Königlichen“ wieder einmal Meister werden. Dafür thront der heute zu erobernde Pokal auf einem Podest und der Mensch gibt seiner Urneigung nach, der Trophäenjagd.

Die Schlange nimmt kein Ende, eine Stunde ist im hoch frequentierten Stau-Raum die minimale Wartezeit für ein paar Sekunden Fußballglanz. Dann macht es klick und das gute Stück ist im Kasten.

Karten sehr begehrt

Auf der für das Public Viewing präparierten Plaza wird das Endspiel zwischen dem FC Liverpool und Tottenham Hotspurvorgefeiert. Viele Engländer, in erster Linie Liverpool-Anhänger, haben sich zum Umtrunk versammelt, der kollektive Rausch ist nur eine Frage der Zeit. Auch Holländer sind darunter. Sie hätten nicht für möglich gehalten, dass die Spurs Ajax noch verputzen. Tickets für das Match haben sie alle nicht, ein Fan wäre sofort bereit, 1500 Euro für das Live-Erlebnis im Estadio Metropolitano hinzublättern.

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Dort funktioniert Jürgen Klopp die offizielle Pressekonferenz der UEFA zu einer Art Stammtischrunde um, als wäre der sterile Saal ein hoch fußballinfektiöses Pub. Der deutsche Heros in Englands Heiligtümern kommt aus dem Staunen nicht heraus, als ihm die verlorenen Finalspiele an den Kopf geworfen werden.

Jürgen Klopp
Jürgen Klopp © AP

Er greift sich auf selbigen, die Stirn bildet Furchen aus. „Ich soll ein glückloser Trainer sein? Ich war seit 2012 fast jedes Jahr in einem Finale. Vielleicht bin ich sogar der Weltrekordhalter im Gewinnen von Halbfinali“, meint der fast 52-Jährige, der auch die Fangemeinde seiner Heimat in diesem Endspiel hinter sich wähnt. „Also wenn in Deutschland mehr fußballinteressierte Menschen für Tottenham als für Liverpool wären, würde mir das schon ziemlich hart vorkommen. Ich glaube, sie sind immer für mein Team.“

Viele Überraschungen

Die Konstanz und die Klasse sprechen für Klopps Mannschaft, aber diese Champions League hat das Überraschungsmoment für sich gepachtet. Keine Runde entsprach der Papierform. Paris St-Germain scheiterte an einer schwachen Manchester-United-Elf. Real ging gegen Ajax unter, ebenso Juventus Turin. Tottenham schaltete Pep Guardiolas hochgepriesenes Manchester City und die aufstrebenden Amsterdamer aus. Den Vogel schoss Liverpool, zuvor schon für den FC Bayern zu stark, gegen Barcelona ab.

Die Liverpooler müssen sich Fragen zum gegen Real verlorenen Vorjahres-Endspiel gefallen lassen. „Wir haben daraus gelernt“, sagt Trent Alexander-Arnold, der mit einem Geistesblitz zusammen mit seinem kongenialen Partner Divock Origi die Reds gegen Barca erleuchtet hatte. Liverpool werden die größere Klasse und die mehr Power bescheinigt, aber der Debütant Tottenham hat schon oft überrascht. Und Torjäger Harry Kane ist zurück.