Der mit Rassismus begründete Rücktritt des deutschen Fußball-Nationalspielers Mesut Özil schlägt hohe Wellen. Es sei ein Rückschlag für Integrationsbemühungen, wenn sich ein deutscher Fußballer vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht repräsentiert fühle, sagen die einen. Andere sehen den Abgang als überfälligen Schritt. Die türkische Regierung lobt - und Özils ehemalige Mitspieler sagen wenig.

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger fürchtet durch den Rücktritt weit mehr als nur sportliche Konsequenzen. Özils Entscheidung sei "für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag", sagte Zwanziger. Der türkischstämmige Weltmeister "war ein großes Vorbild für junge Spielerinnen und Spieler mit türkischem Migrationshintergrund, sich auch in die Leistungsstrukturen des deutschen Fußballs einzufinden".

Der 29-jährige Özil hatte am Sonntag sein Schweigen gebrochen und die Konsequenzen aus der Affäre um die umstrittenen Fotos mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor der WM gezogen. Dabei kritisierte er den Verband und in erster Linie dessen Präsidenten Reinhard Grindel, deutsche Medien und Sponsoren für ihren Umgang mit ihm scharf.

Vor allem auf DFB-Chef Grindel, der sich bisher nicht geäußert hat, wird der Druck immer größter. Özil fühlte sich von ihm schlecht behandelt. "Ich werde nicht länger als Sündenbock dienen für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen", hatte Özil in seinem Statement gemeint. "Grindel war und ist der schlechteste DFB-Präsident, den ich je erlebt habe", sagte nun auch Harald Stenger, der langjährige Pressesprecher des DFB.

Auch Zwanziger, der in seiner Amtszeit das Thema Integration stark vorangetrieben hatte, sieht Versäumnisse beim DFB. "Durch Fehler in der Kommunikation ist etwas passiert, das bei Migranten nie passieren darf: Sie dürfen sich nie als Deutsche zweiter Klasse fühlen. Wenn dieser Eindruck entsteht, muss man gegensteuern", betonte der 73-Jährige.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hält nun sogar die Integrationswirkung der Nationalmannschaft für gefährdet. "Vielfalt in der Nationalmannschaft war ein tolles Vorzeigeprojekt, was durch unfähige Führungskräfte nun zu scheitern droht", schrieb Sofuoglu auf Twitter.

Dabei müsse Kritik an fragwürdigen Aktionen der Profis erlaubt sein, forderte die Integrationsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), auf Twitter: "Bei allem Verständnis für die familiären Wurzeln müssen sich Spieler der Fußballnationalmannschaft Kritik gefallen lassen, wenn Sie sich für Wahlkampfzwecke hergeben."

Lob aus der Türkei

Türkische Regierungspolitiker haben sich nach der Bekanntgabe von Özil auf die Seite des Fußballers geschlagen. Sportminister Mehmet Kasapoglu schrieb am Sonntagabend auf Twitter: "Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen."

Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln, weil dieser mit seinem Rücktritt das "schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen" habe.

Der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, begrüßte Özils Aussage, dass er den türkischen Präsidenten wieder treffen würde. Weiter schrieb er auf Twitter: "Aber stellen Sie sich vor, welchem Druck Herr Mesut in diesem Prozess ausgesetzt war. Wo sind Höflichkeit, Toleranz, Pluralismus geblieben...?!"

"Hat seit Jahren einen Dreck gespielt"

Während etwa Liverpool-Starcoach Jürgen Klopp Partei für Özil ergriff, fiel Bayern-München-Präsident Uli Hoeneßmit untergriffiger Kritik an Özil auf. "Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen. Und jetzt versteckt er sich und seine Mist-Leistung hinter diesem Foto", sagte Hoeneß in einem Kreis von Reportern vor dem Abflug des Clubs zu einer US-Tour.

Kritik vom DJB

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat Özil (29) vorgehalten, eine "pauschale Medienschelte" betrieben zu haben, bei der er Dampf ablasse und viele Leser ratlos zurückließe. "Wenn Mesut Özil Rassismus in deutschen Zeitungsredaktionen am Werk sieht, soll er Ross und Reiter nennen", forderte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.

Özil hatte bei seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft via soziale Medien, bei denen er mehr als 70 Millionen Follower hat, beklagt, dass "bestimmte deutsche Zeitungen" rechte Propaganda betrieben. Sie hätten ihn wegen seiner türkischen Herkunft und nicht wegen sportlicher Leistungen kritisiert. Dazu betonte der DJV-Vorsitzende, es sei richtig, dass die deutschen Medien kritisch hinterfragt hätten, warum sich Özil mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan habe ablichten lassen.

"Anders als Özil behauptet, ist ein gemeinsames Foto mit dem für die Abschaffung der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei gefürchteten Autokraten politisch", sagte Überall. "Und natürlich musste das kritische Fragen aufwerfen." Wenn einzelne Medien dabei die journalistischen Grundwerte missachtet hätten, sei diese Art der Berichterstattung ein Fall für den Deutschen Presserat.

Warum der 29-jährige Fußballprofi eine dreiteilige Erklärung über die sozialen Netzwerke verbreitete, dazu sagte Überall der Deutschen Presse-Agentur: "Ich kann nur vermuten, dass er Spannung aufbauen wollte. Aber die genaue Antwort kennt nur er." Dass Özil seine Gedanken nur auf Englisch und nicht auf Deutsch an die Leser verbreitet habe, habe wahrscheinlich daran gelegen, dass wahrscheinlich das Management und nicht der Fußballer selbst die Erklärung verfasst und versendet habe.

Und warum stellt sich ein Mesut Özil nicht - wie andere prominente Sportkollegen - in Interviews mit Journalisten den Fragen der Journalisten? "Das ist sehr bedauerlich, denn seine Vorwürfe sind schwerwiegend", sagte Überall weiter. "Alle Medien als rassistisch zu verteufeln ist natürlich Unsinn. Aber wenn er Beispiele genannt und sich einer Diskussion gestellt hätte, gäbe es eindeutig einen Nutzwert. So aber sieht das nach Dampfablassen aus. Das mag ihm nützen, lässt aber alle anderen ratlos zurück."