Lange wartete man auf eine Reaktion von Mesut Özil nach der sogenannten Erdogan-Affäre, nun ist sie da. Der 29-Jährige tritt aus der deutschen Nationalmannschaft zurück. Dies gab Özil am Sonntag via Twitter in einer aus drei Teilen bestehenden umfangreichen Erklärung bekannt.

Zuvor hatte Özil den Deutschen Fußball-Bund und vor allem dessen Präsidenten Reinhard Grindel, deutsche Medien und Sponsoren für ihren Umgang mit ihm scharf kritisiert. „Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre“, schrieb Özil.

Özil zieh Grindel der Inkompetenz. Er sei "unfähig, sein Amt in geeigneter Weise auszuüben", griff der Deutsche türkischer Herkunft den DFB-Chef heftig an.

Özil und sein Teamkollege Ilkay Gündogan hatten sich im Mai gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fotografieren lassen und damit eine heftige Diskussion ausgelöst.

Lob aus der Türkei

Türkische Regierungspolitiker haben sich nach der Bekanntgabe von Özil auf die Seite des Fußballers geschlagen. Sportminister Mehmet Kasapoglu schrieb am Sonntagabend auf Twitter: "Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen."

Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln, weil dieser mit seinem Rücktritt das "schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen" habe.

Der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, begrüßte Özils Aussage, dass er den türkischen Präsidenten wieder treffen würde. Weiter schrieb er auf Twitter: "Aber stellen Sie sich vor, welchem Druck Herr Mesut in diesem Prozess ausgesetzt war. Wo sind Höflichkeit, Toleranz, Pluralismus geblieben...?!"

Rücktritt löst Integrationsdebatte aus

Der Rücktritt von Mesut Özil und seine Rassismus-Vorwürfe haben zudem eine neue Integrationsdebatte in Deutschland ausgelöst. Es sei ein Alarmzeichen, wenn sich ein großer, deutscher Fußballer wie Özil in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht repräsentiert fühle, so Justizministerin Katarina Barley (SPD) am Sonntag.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir, sagte der "Berliner Zeitung", Özils Erklärung zu den umstrittenen Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei zwar falsch, aber sein Rücktritt tue weh. Das katastrophale Krisenmanagement der DFB-Spitze habe Raum gelassen "für eine unsägliche Debatte von rechts". "Es ist fatal, wenn junge Deutsch-Türken jetzt den Eindruck bekommen, sie hätten keinen Platz in der deutschen Nationalelf."

Der CDU-Politiker und Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß bezeichnete Özils Vorwürfe von Rassismus und Respektlosigkeit dagegen als deplaziert. "Es ist oft noch ein sehr langer Weg zur Integration und zum Punkt bis sich wirklich alle zu ihrer neuen Heimat bekennen", schrieb er auf Twitter.

"Niemand muss oder soll Wurzeln verleugnen, freilich wünsche ich mir schon auch ein deutliches Bekenntnis für das neue Heimatland", sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe). Er wünsche sich "ein klares Bekenntnis zu unseren Werten", "gerade gegenüber jemandem" wie Recep Tayyip Erdogan, sagte er mit Blick auf das umstrittene Treffen Özils mit dem türkischen Staatschef.

Die Integrationsbeauftragte der Regierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), begrüßte, dass sich Özil nach zwei Monaten des Schweigens endlich erklärt habe. Bei allem Verständnis für die familiären Wurzeln, müssten sich Nationalspieler aber Kritik gefallen lassen, wenn sie sich für Wahlkampfzwecke hergeben, twitterte die CDU-Politikerin. Diese berechtigte Kritik dürfe aber nicht in pauschale Abwertung von Spielern mit Migrationshintergrund umschlagen.

Theo Zwanziger, früherer Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, bedauerte den Rücktritt von Özil aus der deutschen Nationalmannschaft und befürchtet Konsequenzen nicht nur im Fußball. "Ich bin tief traurig über die von Mesut Özil getroffene Entscheidung", sagte Zwanziger zur dpa. Der Rückzug des türkischstämmigen Weltmeisters sei "für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag. Er war ein großes Vorbild für junge Spielerinnen und Spieler mit türkischem Migrationshintergrund, sich auch in die Leistungsstrukturen des deutschen Fußballs einzufinden."