Die Geschichte von englischen Elfmeterschießen ist eine traurige. Sechsmal ist das Team aus dem Mutterland des Fußballs bei großen Turnieren bei Entscheidungen vom Punkt ausgeschieden. Also galt es, genau das zu vermeiden. Und es gelang, wenn auch mithilfe des Referees und des VAR. Ein Tor von Harry Kane aus einem Elfernachschuss in der 104. Minute beförderte England ins Finale am Sonntag gegen Italien. Es ist das erste Endspiel für die „Three Lions“ seit der WM 1966.

Zunächst einmal musste sich die Euro von einer Illusion verabschieden. Wer um alles in der Welt hat denn behauptet, England verfüge endlich über einen Torhüter, der diese Bezeichnung auch verdient? Weil die Mannschaft von Gareth Southgate bis zum Halbfinale keinen Gegentreffer hinnehmen hatte müssen, schien die These mit einem Wahrheitsgehalt versehen zu sein. Nun hat Jordan Pickford selbst diese Aussage widerlegt. Der Freistoß von Mikkel Damsgaard war scharf geschossen, die der englischen beigestellte dänische Mauer hatte sich schlitzohrig hin und her bewegt, aber der Ball ging fast in die Tormitte. Pickford griff voll daneben und die Dänen, deren Erfolg aufgrund des Dramas um Christian Eriksen für viele Fans zur Herzensangelegenheit wurde, führten.

Dies ließ das zuvor tobende Mehrheits-Publikum im gefühlt randvollen Londoner Wembley-Stadion vorübergehend verstummen und die Spieler etwas ratlos zurück. In dieser Phase hätte Dänemark die Verwirrung beim Gegner besser ausnützen können. Die Gäste übernahmen die Kontrolle, die sie – und auch das kam überraschend – kurz vor der Pause dann doch wieder verloren.

Plötzlich besannen sich die Engländer ihrer Möglichkeiten, lancierten zwei schnelle, durchdachte Angriffe und schon hieß es 1:1. Zunächst machte sich Kasper Schmeichel bei einer tollen Chance von Raheem Sterling breit und dann zogen die Dänen lange Gesichter. Ihr Kapitän Simon Kjaer lenkte den Ball, von Bukayo Saka mit einer Hereingabe erzwungen, ins Netz ab. Es war das elfte Eigentor dieser EM.

Die zweite Hälfte war einerseits geprägt von signifikant weiter vorne attackierenden Dänen und einer englischen Mannschaft, die versuchte, die Kreise des Gegners einzuengen und dessen Abwehr mit schnellen Pässen in die Tiefe oder Flanken aufzureißen. England war bemüht, die Oberhand über dieses Match zu gewinnen, was auch gelang, wenngleich das von hoher Präzision und ebensolchem Tempo gekennzeichnete dänische Angriffsmuster für die Gastgeber nicht immer einfach zu durchschauen war.

Je länger die reguläre Spielzeit dem Ende entgegenlief, desto vehementer wurden die englischen Angriffe vorgetragen. In der Verlängerung verdichtete sich das englische Angriffsspiel zu einem Powerplay gegen ermattete Dänen, die mit der Konzentration auf das Verteidigen ausgelastet waren und so gut wie nicht mehr herausfanden aus der eigenen Hälfte. Und dann passierte es. Raheem Sterling fiel, der niederländische Schiedsrichter Danny Makkelie zeigte auf den Punkt. Es war eine umstrittene Entscheidung, aber der Sieg der Engländer ist verdient.